Sonntag, 4. November 2012

31. Oktober, Menedek, Samhain...der nächtliche Besuch!

Samhain...der nächtliche Besuch!

Heute ist Mittwoch, 5.30Uhr, noch lange dunkel draußen, eigentlich hatte ich gehofft nicht ständig zu so einer Zeit aufstehen zu müssen aber, naja es heißt eben flexibel sein hier auf Kamtschatka. Und da wir jetzt eine Motorsäge haben zum arbeiten braucht diese eben auch Benzin, Öl und Werkzeug und das gibt es eben nur in Esso nicht in Menedek oder Anavgaj. Also heißt es wieder fix zum Bus laufen denn der fährt um sieben ab nach Petro!
Heute ist unser Bus recht voll, ich gehe nach hinten Micha bleibt vorne wo er dem Fahrer rechtzeitig sagen kann wo er anhalten soll. Ich habe ausfallend schlechte Laune heute, und Micha hat schon seinen Joker für heute verspielt, denn er hat mein Wollhemd an und nicht Seins, wir haben zwei gleich aussehende Wollhemden in modischem oliv und ich habe in meines extra meinen Namen reingeschrieben weil ich es nicht mag anderer Leute Körpergeruch zu tragen besonders wenn man unterschiedliche Ansichten von...naja lassen wir das, ich mag das nicht, und Micha ist das nicht so wichtig, er hat mal wieder nicht geschaut was er anzieht. Somit trägt Micha meine Jacke als Pullover und somit ich kann vor meinem inneren Auge förmlich riechen und sehen wie Sie vollgeschweist wird! Doch es bleibt keine Zeit zum Umziehen wir müssen zum Bus und vielleicht bin ich ja wirklich heute etwas empfindlich, sage ich zu mir und trotte mit Micha im Eiltempo zum Bus wir sind spät dran. Im Bus schmeißt der Fahrer erst einmal die Glotze an und ich darf mir zwei grauenhafte Folgen einer russischen Sitcom ansehen mit hallendem Ton, wobei ich mir erst nicht sicher bin ob es sich hier um eine extra billige Synchronisation einer amerikanischen Verdummungsreihe handelt doch bei der zweite begreife ich das dieses hier eine russische Produktion handelt. Sie ist grauenhaft schlecht, und da ich nicht viel verstehe geht mir das ganze Spektakel erst recht auf den Sender. Endlich ist es Zeit zum Aussteigen und befreit trete ich ins dunkel Licht der Morgendämmerung und wir stapfen wieder zu Häuschen, wo wir erstmal noch ein Nickerchen machen wollen bis es hell wird da auch Micha mit dem linken Fuß zu erst aufgestanden zu sein scheint. Bevor wir uns hinlegen mache ich den großen Fehler und rieche tatsächlich an meinem Wollhemd welches mir Micha jetzt wieder herüber reicht. Oh Mist, es ist natürlich so wie ich es befürchtet hatte und somit geht die zweite Rüge über Micha hernieder. Armer Micha, denkt ein Teil von mir und geht lieber ins Bett!
Als wir aufwachen ist alles besser, wir reparieren und betanken sie Säge, stapfen hinter in den Wald und machen uns ans Werk. Tüchtig arbeiten wir bis zum Abend, ich fälle die Birken, Micha enastet sie und dann schneide ich sie auf Länge zu. Am Nachmittag fangen wir an alles was wir gesägt und entastet haben zum Hüttenplatz zu tragen, danach kann keiner mehr nur die Hand heben! Feierabend, der Tag war heute wie im Fluge vergangen, wir haben viel geschafft.
Als wir in die Hütte kommen dämmert es schon und mir fällt plötzlich ein was für ein Tag heute ist, im Waldkindergarten denke ich hätte ich das nie vergessen, es wäre wie jedes Jahr ein aufregendes und schönes Fest geworden. Bei allem was auch bei uns als Team zum Schluss im Argen lag, unsere Jahreskreisfeste und besonders Samhain, war für mich immer ein sehr intensives Fest mit den Kindern und meinem Kollegen an das ich mich noch lange und gern erinnern werde. Andreas, der mit den seinem Familienwappen, seinen alten Fotos von seinen Großvätern von denen er Fotografien besaß seit man eben Fotos machen konnte, eine langen Verbindungsfaden für uns und die Kinder von Heute in die Vergangenheit spinnen konnte. Und der über jeden dieser Großvätern eine Geschichte erzählen konnte die sich in den großen Augen der Kinder widerspiegelte die wie gebannt zuhörten. Und Kathrin die immer eine Fotografie ihrer Lieblingsgroßmutter mitbrachte und den Kindern von ihr erzählte. Auch wusste sie den Kindern gut zu erzählen das die Dinge vergänglich sind, kommen und gehen, geboren werden und sterben dürfen, das Wiedersehen und Abschied nahe beieinander liegen und notwendig sind für den Wandel der Welt, der Jahrhunderte, Jahre und Jahreszeiten! Auch die Geschichte von Jack und dem Kürbis wie wir ihn heute für diesen Fest benutzen hallte wieder durch mein Bewusstsein und die riesigen Augen der Kinder in denen sich der Schein der kleinen Lichter die aus unseren Kürbissen leuchteten widerspiegelte und zu glänzen schien.
Marion wanderte durch meinen Kopf mit Geschichten von marodierenden Bären in Canada, ihrer Zeit bei den Blackfeeds, stehlenden Affen und Kojoten die Pupswurzeln aßen.
Über diese Gedanken schleichen sich dann die lang vermissten Gefühle der Dankbarkeit über die gemeinsam verlebte Lern- und Lebenszeit mit meinen Kollegen, als Waldläufer im Waldkindergarten Pankow in mein Herz. Jetzt hier auf dem Weg runter zum Fluss brechen die knackend langsam die Dämme und Bilder, Gefühle, Gedanken strömen wie das Wasser im tosenden Anavgaj durch mich hindurch und ich stehe tief berührt und heulend mit meinem Eimer in der Hand am Flussufer. Ich war hart geworden in den letzten Jahren auf der Arbeit, etwas in mir hatte sich verhärtet, und Frust, Enttäuschung und Routiene haben mein Herz nach und nach überschwemmt und es blind gemacht für das Schöne und die Geschenke die diese Arbeit mit meinen Kollegen draußen im Blankenfelder Forst mit sich brachte. Zeit sich zu erinnern, Zeit alles anzuschauen, raus zu lassen, Zeit allen Ärger, alle Wut, alle Enttäuschung, alle Kränkungen, alle angestauten schlechten Gefühle den Wassern des Anavgaj zu übergeben! Wasser ist so gütig, es nährt uns und die anderen Mitwesen, wir alle bestehen aus großen Teilen ihm und wenn wir es darum bitten nimmt es auch alte Dinge fort, löst sie auf, transformiert Sie und gibt sie wieder als geläuterte, neue erfrischende Energie frei! Wisst ihr, es ist ganz leicht, wir brauchen nur raus zu gehen und darum zu bitten!
Plötzlich ist es schon dunkel und mir fällt ein das Micha bestimmt schon wartet, wir noch Holz machen müssen für die Nacht, also fülle ich meinen Eimer mit dem kühlem klaren Wasser und wasche mir noch die Hände und benetze mir das Gesicht. Jetzt fühle ich mich ganz leicht, ganz klar! Erfrischt schaukle ich zur Hütte zurück wo Micha schon Holz herein geschafft hat und mit fragendem Gesicht auf mich wartet. Wo warst du den so lange, ich dachte du bist in den Fluss geplumst. Ich gucke ihn an, grinse und sage ich war am Fluss Micha, unten am Fluss!

Wir haben einen schönes Abendessen, es ist warm, es ist einfach aber alles ist da, wir verspüren keinen Mangel. Dankbar genießen wir den Abend im weichen Schein der Kerzenflamme, auf unseren Rentierfellen sitzend, es herrscht fast festliche Stimmung! Wiedereinmal sonderbar wie sich der Tag manchmal wandelt, denke ich...und schlafe bald ein! Plötzlich mitten in der Nacht Hundegebell! Ich hatte ganz vergessen zu erzählen das wir zwei Gäste haben! Unter unserer Hütte wohnen seit vorgestern zwei Laikamischlinge, einer ganz Schwarz, einer fast Weiß. Diese trollen sich in der die meiste zeit um die Hütte herum und versuchen hier und da einen Bissen zu erhaschen! Und heute Nacht waren sie eben auch unsere Wachhunde!
Also Hundegebell, definitiv Alarmgebell! Draußen nährt sich was durch den Schnee stapfend der Hütte. Wieder Gebell und diesmal mit Geknurre, da kommt etwas und stapft auf unsere Hüttentür zu. Micha steht im Bett, ich bin jetzt auch halb wach, da bummert es an unser Tür und rüttelt. Micha regt sich und ist schon beim Schürhaken, ich habe mein Messer schon gepackt, da schallt uns eine russische Frauenstimme entgegen. Ich bin`s Liija, macht mal auf! Und als Micha völlig verpennt an der Tür steht, steht ihm die Meledekcheffin Lilja gegenüber, offensichtlich scheint es schon früh morgens zu sein und so quäle ich mir ein verschlafendes Dobroje Utra über die Lippen. Doch Lilja lallt das es nicht morgen sei sondern mitten in der Nacht und sie hier schlafen will. Die Gute ist voll wie ne Feldhaubitze und offensichtlich die fünf Kilometer von Anavgaj hierher gewankt.Ich mache platz und lege mich zu Micha auf die auf dem Boden liegenden Rentierfälle und bin wieder im Dämmerschlaf während Lilja Micha noch zu lallt. Plötzlich wieder Schritte und die Tür fliegt auf. Im Halbdunkel kann ich Ilias einen ewenischen junge Mann erkennen mit dem Wir hier vor ein paar Wochen zusammen gearbeitet haben. Er setzt und fängt und erzählt offensichtlich das er Lilja nachgegangen sei um zu Schauen ob sie auch wirklich angekommen ist! Dann höre ich noch Sounds eines Computerspiels, Ilias ist langweilig und er erwidert das von Suff von Lilja dahingeschwafelte nur noch desinteressiert und abwesend, ganz in sein Spiel vertieft. Alles so spielt sich so ab, als ob wir nicht auf dem Boden liegen und schlafen würden, als ob wir nicht anwesend sein würden. Skurril das ganze und das alles im Halbschlaf! Nach einer weile dampft Ilias ab und lässt uns und die jetzt frierende Lilja in der Hütte alleine. Nach einer weile höre ich immer wieder ein schlottern gefolgt von einem gefrösteltem „Cholodna“, was soviel wie kalt heißt! Es ist wieder wie in einem Theaterstück! Igendwann nach weiß ich wie lange gewimmer, fragt wohl Lilja Micha endlich den Ofen wieder anzumachen. Micha sammelt widerwillig ein paar Felle zusammen deckt die ohne Decke auf der Pritsche liegende Lilja mit Deken und Fällen zu, macht den Ofen wieder an und in der Zwischenzeit ertönt bereits leises Schnarchen aus Liljas Richtung. Na endlich, höre ich Micha stammeln der sich schwer wieder auf seine Fälle plumpsen lässt und wir schlafen ein. Ich bekomme noch einmal mit wie im Morgengrauen jemand aus der Hütte schleicht, dann wache ich erst um halb zehn auf und mache uns Frühstück! Kopfschüttelnd und schmunzelnd sitzen wir uns dann bei Haferbrei und schwarzem Tee gegenüber...Tja, Russland eben, der tägliche Wahnsinn, sagt Micha und ich kann nur wortlos zustimmen! Es gibt nix mehr dazu zu sagen!

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