...vom
Niedergang der großen Russischen Nation!
Um
5.30Uhr startete wie immer die Montagsprozedur, das nächste an was
ich mich erinnere ist das wir uns mit Dima, der uns heute begleiten
und unterstützen wollte, am Bus treffen und wir langsam aus Esso in
Richtung Anavgaj rollen. Im Bus begannen Micha und Dima schon einen
lebhaften Austausch über verschiedene Kreations und
Evolutionsmodelle und deren Wahrscheinlichkeit und Richtigkeit. Oh
man, schwere Kost für mein verschlafendes Hirn, drum beschränkte
ich mich auf das zuhören und versuchte langsam wirklich aufzuwachen.
Als der Bus die Brücke über den Anavgajfluss erreichte, es zeit zum
Aussteigen war, war es dann endlich so weit, ich war wach! Im
Dämmerlicht stapften wir zu unserer Hütte nahmen Säge, Schäleisen,
Axt und unseren Tchainik und machten uns auf in den Wald zu unserer
Hüttenbaustelle, wo wir erstmal ein Feuer entzündeten. Ich kochte
Tee und wir warteten gemeinsam am wärmenden Feuer auf das
heraufziehende Licht des neuen Tages. Die Qualität dieser frühen
Stunde kann ich kaum beschreiben, doch kann ich euch berichten das es
sehr sehr schön wahr und sehr berührend. Wir alle waren jetzt
verstummt und starrten schweigend in die Flammen, lauschten hinein in
die morgendliche Stille. Warten auf Großvater Sonne! In mir war es
ganz ruhig geworden, die Stille im Außen hatte mich jetzt ganz
ausgefüllt und ein leiser ganz feiner Gedanke, nein es war eher ein
Gefühl, breitete sich in mir aus. Dankbarkeit und Ehrfurcht vor der
Schöpfung, Demut? Im Moment so spürte ich, war ich, waren wir eins
mit dem was uns umgab und vollkommen durchdrungen von Allem. Schön!
Als
wir unsere Tassen zum zweiten mal geleert hatten war es dann hell
genug um mit unseren arbeiten zu beginnen. Ora et labora!
Und
somit schälten Micha und Dima fleißig und ich ging mit meiner
Motorsäge wieder auf Baumjagd. Zeitweilig schienen das qualmende
lärmende Ding und ich eins geworden zu sein und somit merkte ich gar
nicht wie die zeit verstrich und als ich mit der leeren Säge auf der
Schulter zum Hüttenplatz zurückkehrte ward sogar schon Essenszeit.
Es wurde Holz gesammelt, das Feuerkind herbei gelockt, gekocht und
fix serviert! Da wir heute keine Löffel dabei hatten schnitzte ich
uns noch ein paar Holzspatel die wunderbar ihren Zweck erfüllten.
Toll, grade so einfach zu Leben.
In
vielen Gesprächen erfuhr ich interessantes von unserem aus
Petropavlovsk stammenden russischen Freund Dima. Und ich hatte das
Gefühl einen direkten Blick in die russische Volksseele erhaschen zu
dürfen. Das war sehr bereichernd und gab mir endlich da Gefühl für
einen Teil der russischen Leute die hier auf Kamtschatka lebten, denn
das hatte ich in den letzten Monaten immer ein wenig vermisst und
hatte immer wieder das Gefühl gar kein so richtiges Bild von den
Menschen zu haben die hier lebten trotz dem ich viel unterwegs war
und Leute traf. Doch jetzt durch die Gespräche z.B. mit Dima wurde
mir einiges klarer.
Dima
erzählte uns das sich Russland in einer tiefen Depression befände
und die speziell auf Kamtschatka deutlich Sichtbar und Fühlbar wäre.
Zu den glorreichen Sowjetzeiten schien es den Menschen hier deutlich
Besser zu gehen und Dima zeichnete uns ein Bild von Blühenden
Landschaften und einem erfüllten, zufriedenen Leben in der
fern-östlichsten Provinz vom großen Sowjetreich. Dabei viel mir auf
das er die Sowjetunion und das großrussische Zarenreich in einer
Begrifflichkeit verwendete. Auch sprach er viel von den Amerikanern
die sein Land zerstört hätten, und das Diese für den Zusammenbruch
und für den jetzigen Zustand Russlands verantwortlich wären! Auf
meine Frage hin wie denn das zu Stande gekommen sein solle und mit
welchen Mitteln seiner Meinung nach die imperialistischen Amerikaner
Großmütterchen Russland, bzw. dem großen Sowjetischen Bruderstaat
zu Leibe gerückt sein sollen, sah er mich nur verständnislos an wie
ich nur so eine Frage stellen konnte. Ich berichtete ihm weiter, das
ich durch meine Beobachtungen der Letzten Monate eher den Eindruck
hätte das sich die Russen selbst zerstören würden, präziser
ausgedrückt sich genaugenommen selbst ersäufen würden. Und zwar in
oder mit einem ureigenen russischen Produkt, dem verdammten
russischen Wodka!
Dima
guckte mich mit großen Augen an und es wirkte so als ob ich
Rumpelstilzchens Namen erraten hätte. Ja ja, sagte er aufgewühlt,
die Amerikaner sind daran schuld, die haben uns wirtschaftlich und
psychologisch ruiniert und jetzt halten sie die Preise von Wodka
niedrig damit hier alles den Bach runter weiter geht. Aha! Hätte ich
mir ja auch eigentlich selbst denken können, das ich da noch nicht
drauf gekommen bin!
Außerdem
wäre die Welt undankbar und sie hatte eindeutig zu wenig Respekt vor
dem russischen Volk, denn das hätte ja schließlich die Welt von
den Nazis befreit und nun könne man ja wohl vom Westen ein wenig
mehr Dankbarkeit erwarten. Zudem war auf der anderen Seite von der
Unkaputtbartkeit der russischen Seele die Rede und ähnlichem.
Ich
fand unsere Gespräche mit Dima während wir alle arbeiten sehr
interessant, und möchte gerne meine Wertschätzung ihm gegenüber
zum Ausdruck bringen.
Ich
hatte wahrscheinlich anderes zu hören erwartet von einem 24 jährigen
jungen Psychologen der ein sehr gutes englisch sprach und auch sonst
sehr interessiert war an den Dingen in der Welt. Aber ich war auch
beeindruckt von dem Propagandakram den er uns mit ernster Miene
erzählte und fest zu glauben schien. Tja, vielleicht auch ein guter
Spiegel für uns als angehörige der deutschen Nation? Was bin ich
denn eigentlich, Deutscher, Ostdeutscher, Berliner, Weltbürger,
Mensch? Ich sinnierte, nachdem wir Dima abends wieder zum Bus zurück
nach Esso gebracht hatten, noch eine ganze Weile über das gehörte
nach.
Nebenbei
bemerkt hatten wir am Ende dieses arbeits- und
kommunikationsinsensiven Tages alle Stämme für unseren Unterbau
gesägt und geschält.
Отлично!
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