Sonntag, 11. November 2012

05. November, Menedek, ...vom Niedergang der großen Russischen Nation!

...vom Niedergang der großen Russischen Nation!

Um 5.30Uhr startete wie immer die Montagsprozedur, das nächste an was ich mich erinnere ist das wir uns mit Dima, der uns heute begleiten und unterstützen wollte, am Bus treffen und wir langsam aus Esso in Richtung Anavgaj rollen. Im Bus begannen Micha und Dima schon einen lebhaften Austausch über verschiedene Kreations und Evolutionsmodelle und deren Wahrscheinlichkeit und Richtigkeit. Oh man, schwere Kost für mein verschlafendes Hirn, drum beschränkte ich mich auf das zuhören und versuchte langsam wirklich aufzuwachen. Als der Bus die Brücke über den Anavgajfluss erreichte, es zeit zum Aussteigen war, war es dann endlich so weit, ich war wach! Im Dämmerlicht stapften wir zu unserer Hütte nahmen Säge, Schäleisen, Axt und unseren Tchainik und machten uns auf in den Wald zu unserer Hüttenbaustelle, wo wir erstmal ein Feuer entzündeten. Ich kochte Tee und wir warteten gemeinsam am wärmenden Feuer auf das heraufziehende Licht des neuen Tages. Die Qualität dieser frühen Stunde kann ich kaum beschreiben, doch kann ich euch berichten das es sehr sehr schön wahr und sehr berührend. Wir alle waren jetzt verstummt und starrten schweigend in die Flammen, lauschten hinein in die morgendliche Stille. Warten auf Großvater Sonne! In mir war es ganz ruhig geworden, die Stille im Außen hatte mich jetzt ganz ausgefüllt und ein leiser ganz feiner Gedanke, nein es war eher ein Gefühl, breitete sich in mir aus. Dankbarkeit und Ehrfurcht vor der Schöpfung, Demut? Im Moment so spürte ich, war ich, waren wir eins mit dem was uns umgab und vollkommen durchdrungen von Allem. Schön!
Als wir unsere Tassen zum zweiten mal geleert hatten war es dann hell genug um mit unseren arbeiten zu beginnen. Ora et labora!
Und somit schälten Micha und Dima fleißig und ich ging mit meiner Motorsäge wieder auf Baumjagd. Zeitweilig schienen das qualmende lärmende Ding und ich eins geworden zu sein und somit merkte ich gar nicht wie die zeit verstrich und als ich mit der leeren Säge auf der Schulter zum Hüttenplatz zurückkehrte ward sogar schon Essenszeit. Es wurde Holz gesammelt, das Feuerkind herbei gelockt, gekocht und fix serviert! Da wir heute keine Löffel dabei hatten schnitzte ich uns noch ein paar Holzspatel die wunderbar ihren Zweck erfüllten. Toll, grade so einfach zu Leben.
In vielen Gesprächen erfuhr ich interessantes von unserem aus Petropavlovsk stammenden russischen Freund Dima. Und ich hatte das Gefühl einen direkten Blick in die russische Volksseele erhaschen zu dürfen. Das war sehr bereichernd und gab mir endlich da Gefühl für einen Teil der russischen Leute die hier auf Kamtschatka lebten, denn das hatte ich in den letzten Monaten immer ein wenig vermisst und hatte immer wieder das Gefühl gar kein so richtiges Bild von den Menschen zu haben die hier lebten trotz dem ich viel unterwegs war und Leute traf. Doch jetzt durch die Gespräche z.B. mit Dima wurde mir einiges klarer.
Dima erzählte uns das sich Russland in einer tiefen Depression befände und die speziell auf Kamtschatka deutlich Sichtbar und Fühlbar wäre. Zu den glorreichen Sowjetzeiten schien es den Menschen hier deutlich Besser zu gehen und Dima zeichnete uns ein Bild von Blühenden Landschaften und einem erfüllten, zufriedenen Leben in der fern-östlichsten Provinz vom großen Sowjetreich. Dabei viel mir auf das er die Sowjetunion und das großrussische Zarenreich in einer Begrifflichkeit verwendete. Auch sprach er viel von den Amerikanern die sein Land zerstört hätten, und das Diese für den Zusammenbruch und für den jetzigen Zustand Russlands verantwortlich wären! Auf meine Frage hin wie denn das zu Stande gekommen sein solle und mit welchen Mitteln seiner Meinung nach die imperialistischen Amerikaner Großmütterchen Russland, bzw. dem großen Sowjetischen Bruderstaat zu Leibe gerückt sein sollen, sah er mich nur verständnislos an wie ich nur so eine Frage stellen konnte. Ich berichtete ihm weiter, das ich durch meine Beobachtungen der Letzten Monate eher den Eindruck hätte das sich die Russen selbst zerstören würden, präziser ausgedrückt sich genaugenommen selbst ersäufen würden. Und zwar in oder mit einem ureigenen russischen Produkt, dem verdammten russischen Wodka!
Dima guckte mich mit großen Augen an und es wirkte so als ob ich Rumpelstilzchens Namen erraten hätte. Ja ja, sagte er aufgewühlt, die Amerikaner sind daran schuld, die haben uns wirtschaftlich und psychologisch ruiniert und jetzt halten sie die Preise von Wodka niedrig damit hier alles den Bach runter weiter geht. Aha! Hätte ich mir ja auch eigentlich selbst denken können, das ich da noch nicht drauf gekommen bin!
Außerdem wäre die Welt undankbar und sie hatte eindeutig zu wenig Respekt vor dem russischen Volk, denn das hätte ja schließlich die Welt von den Nazis befreit und nun könne man ja wohl vom Westen ein wenig mehr Dankbarkeit erwarten. Zudem war auf der anderen Seite von der Unkaputtbartkeit der russischen Seele die Rede und ähnlichem.
Ich fand unsere Gespräche mit Dima während wir alle arbeiten sehr interessant, und möchte gerne meine Wertschätzung ihm gegenüber zum Ausdruck bringen.
Ich hatte wahrscheinlich anderes zu hören erwartet von einem 24 jährigen jungen Psychologen der ein sehr gutes englisch sprach und auch sonst sehr interessiert war an den Dingen in der Welt. Aber ich war auch beeindruckt von dem Propagandakram den er uns mit ernster Miene erzählte und fest zu glauben schien. Tja, vielleicht auch ein guter Spiegel für uns als angehörige der deutschen Nation? Was bin ich denn eigentlich, Deutscher, Ostdeutscher, Berliner, Weltbürger, Mensch? Ich sinnierte, nachdem wir Dima abends wieder zum Bus zurück nach Esso gebracht hatten, noch eine ganze Weile über das gehörte nach.
Nebenbei bemerkt hatten wir am Ende dieses arbeits- und kommunikationsinsensiven Tages alle Stämme für unseren Unterbau gesägt und geschält.

Отлично!



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