Am Dienstag
Morgen war die Nacht um 5 Uhr wieder zu ende. Der Jetlag nagte noch
immer an meinem zeitlichen Empfinden und der Blaseninnendruck
erreichte kurz vor Fünf den kritischen Punkt. So das ich meinen
schlaftrunkenden Körper in die Senkrechte brachte, die Treppe des
Grauens vorsichtig, beinahe schwebend hinunter balancierte um nur
nicht so viel Gewicht auf die blanken Sohlen zu bringen, auf das ich
die kleinen fiesen Holzsplitterchen nicht aufwecken möge, die sich
ansonsten mit vergnügen in meine Fußsohlen bohren würden.
Geschafft, ohne einen merkbaren Schaden hatte ich mich ins Badezimmer
vorgekämpft und meine noch zitternden, schweißnassen Hände
berührten grade den Knauf der rechten Toilette als eine mahnende
Stimme in meinem Kopf mir riet doch lieber das linke Klo zu benutzen
und es solle mein Schaden nicht sein, ließ ich die rechte Tür
geschlossen und wählte stattdessen Tor II um mich in das
Unvermeidliche zu fügen. Nun fühlte ich mich befreit, meine Neugier
hatte wieder Raum und gewann wieder die Oberhand. Was war das noch
gleich, ich sollte die nicht das rechte WC benutzen? Aber warum und
wer riet mir das vorhin? Ich beschloss die Fragestunde im Kopf zu
beenden und machte mich am rechten Türknauf zu schaffen um die ewig
klemmende Tür mit einem Ruck zu öffnen als ich auch schon mit dem
Drehknauf in der Hand, der sich offensichtlich und ich muss bemerken
in äußerst hinterhältiger Weise, gelöst hatte und ich mit samt
Knauf auf die schönen braunen Kacheln herniederging. Rums! Ha, Glück
gehabt, zwei bis zum bersten gefüllte Wäschekörbe mit
Schmutzwäsche warteten hier sehnsüchtig auf das jüngste Gericht
der Waschmaschine und in diese fiel ich nun mit Schmackes! Wieder auf
den Beinen sah ich dann wovor mich die Stimme in meinem Kopf
offensichtlich gewarnt hatte. Die komplette Toilette war geflutet mit
wohlriechendem, wohltemperiertem Wasser! Na das wäre ne schöne
Schweinerei geworden verpennt wie ich war hier flinken Fußes
reinzulatschen und es hätte dem frühen Tag eine mit Garantie
lautstarke und eher unerfreuliche Wendung gegeben.
Stattdessen
stellte ich mit heiterem Gemüt den Wasserzulauf ab und schwebte dem
Frühstücksgemach entgegen. Danke liebe Stimme in meinem Kopf!
Wieder in
Gedanken und meinem Gefühl folgend holte ich leise meinen Freund den
Laptop aus dem Schlafgemach und postierte ihn im Frühstückszimmer
mitten auf dem Tisch, machte mir eine Tasse Chai und erreichte dank
der frühen Stunde, dank Skype und Internet, die Liebste am Anderen
Ende der Welt zum Abend! Sehr schöner Tagesbeginn!
Dann ward Eile geboten, den Rucksack gepackt, die Stiefel geschnürt und raus in die klare Kälte hin zum Bus nach Petro, der uns nach Menedek bringen sollte wo wir die nächsten Tage im Wald verbringen und unsere Winterhütte bauen wollten.
Ungläubig
und erst nach wiederholtem Nachfragen, ob wir sicher seien und genau
hier in der Dunkelheit, vor dieser Brücke, im Nichts aussteigen
wollten, entließ und der Busfahrer unter Kopfschütteln und rollte
davon.
Wir
stapften durch den Schnee bis zu der kleinen Hütte im Museumsdorf
Menedek das hier im verschneiten Wald, zwischen den weißen Bergen
wie im Märchen lag. Stille breitete sich aus nur unterbrochen durch
das stete Rauschendes des Anavgajflusses. Abgefahren, und ich wieder
live dabei!
Micha hatte
es sich bereits auf dem Boden der Hütte auf ein paar Rentierfellen
gemütlich gemacht und hielt ein Nickerchen bis es draußen Hell
wurde. Ich erkundete die Gegend und fand auch bald den Platz den
Micha für unsere Winterhütte ausgesucht hatte uns schon eine
ordentlich Grube ausgegraben hatte! Alle Achtung, der Mann hatte sich
in den letzten Wochen einen Meter tief, mit fast vier Meter
Durchmesser in die mit Steinen und Felsbrocken durchsetzte Erde von
Menedek gegraben. Tolle Leistung, das zeugt von hoher Motivation
Leute.
Als ich
eine Kuhle in den Schnee gebuddelt hatte, Holz gesammelt hatte und
ein kleines Feuer in Gang gebracht hatte, hängte ich unseren kleinen
Tchainik( Teekessel) über die rauchende noch Flamme, als plötzlich
drei Hunde auf mich zugesprungen kamen und mich freudig begrüßten
und Olga ein paar Minuten später am Weg zum Vorschein kam. Sie
erzählte uns das heute Touristen kommen würden und es voll werden
würde. Super, so konnten wir noch ein Paar Dinge wegen der Hütte
mit Lilja & Nicolai ( die graue Eminenz von Menedek könnte man
sagen) besprechen und bräuchten nicht noch mal 5 km nach Anavgaj ins
Dorf hinein zu laufen. Bald bullerte der Ofen in der Hütte es wurde
Tee und Essen gekocht und die 6 Menschen ewenisch-korjakischer
Herkunft sprangen lebhaft in der kleine Hütte umher. Statt an
unserer Hütte zu bauen wurden wir erstmal zu Teetrinken, dann
Schneeschaufeln, wieder Teetrinken, wieder schneeschaufeln und
Mittagessen mit den Gästen verdonnert, so das wir uns erst gegen 14
Uhr loseisen konnten und mit vorbereitenden den Arbeiten zum Bau
unserer Hütte beginnen konnten.
Aber wir
konnten alles so machen wie wir wollten, und es war zu unserem
erstaunen wiedermal kein Problem irgendetwas im Wald zu bauen und
Bäume oder ähnliches Naturmaterial aus der Natur nehmen zu dürfen.
In Deutschland sind wir es gewöhnt wegen alles und jedem Fragen zu
müssen was wir wo aufstellen möchten, auch wenn es eine kleine
Laubhütte ist, hier guckt man uns mit großen Augen an und sagt klar
dürft ihr das, kein Problem, ihr wisst wie ihr mit der Motorsäge
Bäume sägt oder? Und man drückt uns die Säge in die Hand mit dem
Satz, hier schaut mal ob sie geht und uns lässt uns machen. Totaler
Luxus, wie ich finde und unglaublich befreiend!
Also los
geht’s, wir stellen uns noch kurz den Pflanzen und Tierleuten hier
am Platz vor, sagen ihnen was wir vorhaben und das wir auf ihre
Zustimmung hoffen, bedanken uns bei ihnen das sie da sind und die
Natur mit uns teilen, dann tanzt lustig und munter die Säge und die
ersten Birkenleute fallen. Nach 6 Bäumen ist bereits Schluss, die
Sägekette war zu locker und ist jetzt abgesprungen, auch nach
Nachfragen kein Schraubenschlüssel weit und breit, Feierabend mit
motorgestüzten Baumfällarbeiten, auch das ist wieder Russland!
Ich und
Micha beschließen jeder noch ein paar Bäume mit nach guter alter
Art mit der Axt zu fällen und zu entasten, dann bekommt keiner mehr
den Arm hoch und wir machen uns auf zum Feierabendtee in die Hütte
und zum Bus zurück nach Esso, denn wir müssen noch Benzin und Öl
kaufen und einen 13er Schraubenschlüssel besorgen!
An der
Straße stehend und auf den Bus wartend versuchen wir unser Glück
beim Trampen und werden auch nach ner Halben Stunde mitgenommen. Ick
sage euch Leute, nach dieser halben Stunde Fahrt in der Micha uns ich
unabhängig von einander, und ich halte mich nicht für einen
ängstlichen Autofahrer, an der Tankstelle von Esso völlig steif vom
festkrallen an den Autositzen und mit Schweiß auf der Stirn
aussteigen, uns um den Hals fallen und dem Schöpfer danken das wir
heil angekommen sind, beschließen wir vorerst nicht mehr zu Trampen.
Der Fahrer war zwar offensichtlich Taxifahrer aber fuhr wie der
Teufel in einem Affenzahn über die völlig glatte Piste nach Esso
wobei ihm öfter das Heck wegzurutschen schien was ihn aber nicht
störte! Unglaublich!
Dankbar und
seelig schliefen Micha und ich dann bei einer schönen Hörspielfolge
Offenbarung 23 ein!
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