Samstag, 8. Dezember 2012

30. November - 06.Dezember, ...Ausgesetzt!








...Ausgesetzt!

Am frühen Nachmittag des 30.November im Jahre 19 49, wurden wir, die Genossen Benjamin Detlefowitsch und Michael Klausowitsch vom Genossen Direktor auf dem süd- westlichen Vorposten der Zivilisation , am Dimschikanski Kardon abgesetzt. Es wollte einfach nicht richtig hell werden am diesem grauen Freitag Nachmittag und mit Mühe und Not hatte sich das alte Kettenfahrzeug Nr.5 trotz des starken Schneesturmes durch die eisigen Schneemassen und Eisplatten Flüsse gewühlt, bis es schlussendlich nach einer steilen Passage den Berg wieder hinab rasselte und vor einer kleinen Ansammlung von Hütten zum Stehen kam. Dunkel und abweisend lag das alte Dimschikanski Kardon in der Talsohle des Bystajatals, direkt unterhalb des kleinen Plateaus auf dem sich das Kardon befand hatte sich der Bystrajafluss sein Bett tief in das Fleisch des Tales gegraben. Dank seiner Schnelligkeit war der Fluß trotz der hohen Minustemperaturen der letzten Wochen immer noch nicht vollständig zugefroren, weshalb ein stetiges Rauschen und Rumpeln zu hören ward. Hier würden unsere wir nun unseren Dienst für den Frieden leisten und die Wildnis, äh die Zivilisation gegen imperialistische Wilderer und ähnliche kapitalistische Strauchdiebe aus dem Westen zu verteidigen, die trotz der zahlreichen wohlwollenden Agitationsversuche des örtlichen Parteiorgane nicht bereit waren anzuerkennen das jetzt auch das wilde Bergland des Bystrinsky Rajons endlich Volkseigentum geworden war. Immer wurde von kleineren Zwischenfällen berichtet aus der Richtung des Ischinsky Berges wo kleinere Grüppchen auf dem Volkseigen Land der kleinen Kolchosen von Esso wilderten und marodierten. Man hatte uns schon vor Beginn ihres Einsatzes auf besonders harte Bedingungen in dieser Region, im Bergland Mittelkamtschatkas hingewiesen und vor den oft stark alkoholisierten und besonders brutalen Marodeuren gewarnt. „Mit Denen und mit dem Wetter sei nicht hier zu spaßen“, hieß es oft!
Ja, ein etwas komisches Gefühl war es schon als das Kettenfahrzeug davon rasselte und wieder Stille in die weite verschneite Landschaft einkehrte. Nun wurde Holz gehackt, in die Hütte geschafft und sich auf die erste kalte Nacht vorbereitet, die wohl nicht sehr lang werden würde.
Das Tosen des Windes und das Säuseln des Bystrajaflusses ließ uns in einen unruhigen Halbschlaf sinken. In der Zweiten Nachthälfte schreckten wir hoch, Pferdegetrappel war zu hören und laute rufe die immer näher zu unserer Hütte kamen. Und war da nicht noch in weiter Ferne ein Schuss? Jetzt waren wir wach und höchst alarmiert, innerhalb von 5 Minuten waren wir angezogen und auf den noch müden Beinen. Ein neuer Schuss platzte diesmal dicht neben der Tür ins Holz der alten Hütte und eine barsche Männerstimme in einem russischem Dialekt forderte uns auf mit erhobenen Händen herauszukommen. Wir konnten nun hören das es etwa fünf bis sechs Männer auf Pferden sein mussten die hier mitten in der Nacht versuchten uns aus unsere Hütte zu treiben. Uns blieb nur wenig Zeit zum Handeln denn die barsche Stimme von draußen wurde hörbar ungeduldig und befahl einen seiner Männer die verdammte Tür aufzubrechen. Ich blickte zu Michael und der Entschluss war klar, klarer in seinen Augen ablesbar als jede Antwort, wir würden uns nicht gefangen nehmen lassen sondern unser heil in der Flucht suchen. Leise öffneten wir das Hinterfenster in der Küche und warfen unsere sieben Sachen und ein Paar Vorräte die wir noch greifen konnten aus dem Fenster, dann sprangen wir Einer nach dem Anderen hinterher. Just in dem Augenblick wo wir unsere Ochotnikis gegriffen und uns hinter die nächste Schneewehe geworfen hatten die die Seite des Holzstapels zu Haus verdeckte, splitterte drinnen unverkennbar das morsche Holz die Eingangstür und irgendwelche Befehle wurden draußen wild durch die Gegend gebrüllt. Nichts wie weg, nur möglichst weit weg von diesem unseligen Ort und diesen Halunken die mit Garantie nicht Chai mit uns trinken wollten. Wir kämpften uns bis zur Erschöpfung durch den knietiefen bis hüfthohen Schnee, in eine Richtung in der wir Osten vermuteten doch durch die Dunkelheit und das dichte Schneetreiben war es eher eine Ahnung denn eine bewusste Entscheidung in die unsere Flucht uns führte. Erst als es zu leicht Dämmern begann konnten wir unsere Ochotnikiskier anschnallen und waren waren darauf bald irgendwo in die Nähe des Flusses gelangt und buddelten uns eine kleine Höhle in eine Schneewehe die uns hoch genug erschien um uns vor der Kälte zu schützen und uns vor neugierigen Blicken zu verbergen, wenigstens für ein paar Stunden. Wir krochen hinein und schliefen fast augenblicklich ein. Als wir nach ein paar Stunden erwachten hatte es aufgehört zu schneien und die Sonne stand schon hoch an einem erstaunlich blauen Himmel der das Geschehen der letzten Stunden unrealistisch und surreal erschienen ließ, nur unsere knurrenden Mägen und unseren wenigen Habseligkeiten die wir vor unserer Flucht zusammenraffen konnten erinnerten uns das unsere Erinnerungen kein böser Traum waren, sondern bittere Realität.
Unter den paar Dingen die ich gestern Nacht überstürzt hatte zusammenklauben können war unter anderem ein alter Kompass den man immer erst mit leichtem Klopfen zur Zusammenarbeit bewegen musste, mein geliebtes Holzklappmesser und wenig Proviant. Ersteren holte ich nun hervor klopfte ihm gutmütig auf das zerkratzte Abdeckglas und wartete. Nach ein paar Minuten pendelte die Nadel sich gen Nord-Osten ein, wo sich auch ein kleines Tal erstreckte durch welches sich die Bystraja schlängeln musste und durch das wir über lang oder kurz wieder in die kleine Siedlung Esso gelangen würden. Zurück in die Wärme und Sicherheit der Zivilisation! Doch vorerst waren wir hier und es war kalt und uns knurrte der Magen, zudem konnten wir hier nicht bleiben denn niemand von uns wusste ob die Spießgesellen von gestern Nacht nicht letztlich nach uns suchen würden und wer weiß was uns dann noch alles blühten würde. Glücklicherweise hatte der gnädige Schneesturm von gestern Nacht unser Spuren verweht, uns unter seinem weißen Umhang aus Schneegestöber schlüpfen lassen und uns in eine vielversprechende Richtung davon getragen. Also marschierten wir los, immer weiter stapften wir auf unseren breiten Skiern in die Weite des verschneiten Tals hinein durch das munter die Bystraja sprudelte, ohne unsere guten Ochotnikis wären wir sicher bis zur Hüte im Schnee versunken und bei Weitem nicht so schnell voran gekommen. Am Nachmittag machte das Tal plötzlich einen Knick und zeigte an den Seiten eine kleinen Bauch in dem ein kleines Wäldchen wuchs. Hier würde es sich gut aushalten lassen für ein paar Tage, denn die Einbuchtungen boten Schutz vor Blicken, die Lärchenbäume und der Kedratsch boten Holz für Feuer und laut den Spuren gab es hier auch einige Tierchen die sich mit ein wenig List und Ausdauer würden fangen lassen. Und da die Bystaja durch das Tal sprudelte gab es folglich auch Wasser. Gut, somit machten wir uns sofort daran einen Schneehaufen aufzuschichten der groß genug war um ein passables Quinci für uns Beide entstehen zu lassen. Nach drei Stunden Schnee schaufeln und alles schön festklopfen, zwei Stunden Wartezeit bis die Schneekristalle sich miteinander verbunden hatten und alles ausgehärtet schien buddelten wir schlussendlich eine Höhle in den Schneehaufen. Bis zum Einbruch der Dämmerung hatten wir dann eine komfortable Höhle gegraben die genügend Platz für ca. drei Personen bot und ein Luftloch besaß, das wir des Nachts etwas frische Luft bekommen, es jedoch nicht auskühlen würde. In normalen Frostnächten bis – 20C° sank die Temperatur meist nicht unter 0C° bis -1 C, also bei entsprechendem Wind und Wetter eine schöne warme Unterkunft!
Somit waren wir erst einmal versorgt, ein paar kleine Fallen gestellt, Holz gesammelt und ein Feuer gemacht, ein Kanten Brot, ein wenig Speck und die Welt war schon nicht mehr so arg! Ja, es fühlte sich jetzt sogar nach richtigem Abenteuer an...Eines das wir wohl so schnell nicht vergessen würden...


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