...Ausgesetzt!
Am
frühen Nachmittag des 30.November im Jahre 19 49, wurden wir, die
Genossen Benjamin Detlefowitsch und Michael Klausowitsch vom Genossen
Direktor auf dem süd- westlichen Vorposten der Zivilisation , am
Dimschikanski Kardon abgesetzt. Es wollte einfach nicht richtig hell
werden am diesem grauen Freitag Nachmittag und mit Mühe und Not
hatte sich das alte Kettenfahrzeug Nr.5 trotz des starken
Schneesturmes durch die eisigen Schneemassen und Eisplatten Flüsse
gewühlt, bis es schlussendlich nach einer steilen Passage den Berg
wieder hinab rasselte und vor einer kleinen Ansammlung von Hütten
zum Stehen kam. Dunkel und abweisend lag das alte Dimschikanski
Kardon in der Talsohle des Bystajatals, direkt unterhalb des kleinen
Plateaus auf dem sich das Kardon befand hatte sich der Bystrajafluss
sein Bett tief in das Fleisch des Tales gegraben. Dank seiner
Schnelligkeit war der Fluß trotz der hohen Minustemperaturen der
letzten Wochen immer noch nicht vollständig zugefroren, weshalb ein
stetiges Rauschen und Rumpeln zu hören ward. Hier würden unsere wir
nun unseren Dienst für den Frieden leisten und die Wildnis, äh die
Zivilisation gegen imperialistische Wilderer und ähnliche
kapitalistische Strauchdiebe aus dem Westen zu verteidigen, die trotz
der zahlreichen wohlwollenden Agitationsversuche des örtlichen
Parteiorgane nicht bereit waren anzuerkennen das jetzt auch das wilde
Bergland des Bystrinsky Rajons endlich Volkseigentum geworden war.
Immer wurde von kleineren Zwischenfällen berichtet aus der Richtung
des Ischinsky Berges wo kleinere Grüppchen auf dem Volkseigen Land
der kleinen Kolchosen von Esso wilderten und marodierten. Man hatte
uns schon vor Beginn ihres Einsatzes auf besonders harte Bedingungen
in dieser Region, im Bergland Mittelkamtschatkas hingewiesen und vor
den oft stark alkoholisierten und besonders brutalen Marodeuren
gewarnt. „Mit Denen und mit dem Wetter sei nicht hier zu spaßen“,
hieß es oft!
Ja,
ein etwas komisches Gefühl war es schon als das Kettenfahrzeug davon
rasselte und wieder Stille in die weite verschneite Landschaft
einkehrte. Nun wurde Holz gehackt, in die Hütte geschafft und sich
auf die erste kalte Nacht vorbereitet, die wohl nicht sehr lang
werden würde.
Das
Tosen des Windes und das Säuseln des Bystrajaflusses ließ uns in
einen unruhigen Halbschlaf sinken. In der Zweiten Nachthälfte
schreckten wir hoch, Pferdegetrappel war zu hören und laute rufe die
immer näher zu unserer Hütte kamen. Und war da nicht noch in weiter
Ferne ein Schuss? Jetzt waren wir wach und höchst alarmiert,
innerhalb von 5 Minuten waren wir angezogen und auf den noch müden
Beinen. Ein neuer Schuss platzte diesmal dicht neben der Tür ins
Holz der alten Hütte und eine barsche Männerstimme in einem
russischem Dialekt forderte uns auf mit erhobenen Händen
herauszukommen. Wir konnten nun hören das es etwa fünf bis sechs
Männer auf Pferden sein mussten die hier mitten in der Nacht
versuchten uns aus unsere Hütte zu treiben. Uns blieb nur wenig Zeit
zum Handeln denn die barsche Stimme von draußen wurde hörbar
ungeduldig und befahl einen seiner Männer die verdammte Tür
aufzubrechen. Ich blickte zu Michael und der Entschluss war klar,
klarer in seinen Augen ablesbar als jede Antwort, wir würden uns
nicht gefangen nehmen lassen sondern unser heil in der Flucht suchen.
Leise öffneten wir das Hinterfenster in der Küche und warfen unsere
sieben Sachen und ein Paar Vorräte die wir noch greifen konnten aus
dem Fenster, dann sprangen wir Einer nach dem Anderen hinterher. Just
in dem Augenblick wo wir unsere Ochotnikis gegriffen und uns hinter
die nächste Schneewehe geworfen hatten die die Seite des Holzstapels
zu Haus verdeckte, splitterte drinnen unverkennbar das morsche Holz
die Eingangstür und irgendwelche Befehle wurden draußen wild durch
die Gegend gebrüllt. Nichts wie weg, nur möglichst weit weg von
diesem unseligen Ort und diesen Halunken die mit Garantie nicht Chai
mit uns trinken wollten. Wir kämpften uns bis zur Erschöpfung durch
den knietiefen bis hüfthohen Schnee, in eine Richtung in der wir
Osten vermuteten doch durch die Dunkelheit und das dichte
Schneetreiben war es eher eine Ahnung denn eine bewusste Entscheidung
in die unsere Flucht uns führte. Erst als es zu leicht Dämmern
begann konnten wir unsere Ochotnikiskier anschnallen und waren waren
darauf bald irgendwo in die Nähe des Flusses gelangt und buddelten
uns eine kleine Höhle in eine Schneewehe die uns hoch genug erschien
um uns vor der Kälte zu schützen und uns vor neugierigen Blicken zu
verbergen, wenigstens für ein paar Stunden. Wir krochen hinein und
schliefen fast augenblicklich ein. Als wir nach ein paar Stunden
erwachten hatte es aufgehört zu schneien und die Sonne stand schon
hoch an einem erstaunlich blauen Himmel der das Geschehen der letzten
Stunden unrealistisch und surreal erschienen ließ, nur unsere
knurrenden Mägen und unseren wenigen Habseligkeiten die wir vor
unserer Flucht zusammenraffen konnten erinnerten uns das unsere
Erinnerungen kein böser Traum waren, sondern bittere Realität.
Unter
den paar Dingen die ich gestern Nacht überstürzt hatte
zusammenklauben können war unter anderem ein alter Kompass den man
immer erst mit leichtem Klopfen zur Zusammenarbeit bewegen musste,
mein geliebtes Holzklappmesser und wenig Proviant. Ersteren holte ich
nun hervor klopfte ihm gutmütig auf das zerkratzte Abdeckglas und
wartete. Nach ein paar Minuten pendelte die Nadel sich gen Nord-Osten
ein, wo sich auch ein kleines Tal erstreckte durch welches sich die
Bystraja schlängeln musste und durch das wir über lang oder kurz
wieder in die kleine Siedlung Esso gelangen würden. Zurück in die
Wärme und Sicherheit der Zivilisation! Doch vorerst waren wir hier
und es war kalt und uns knurrte der Magen, zudem konnten wir hier
nicht bleiben denn niemand von uns wusste ob die Spießgesellen von
gestern Nacht nicht letztlich nach uns suchen würden und wer weiß
was uns dann noch alles blühten würde. Glücklicherweise hatte der
gnädige Schneesturm von gestern Nacht unser Spuren verweht, uns
unter seinem weißen Umhang aus Schneegestöber schlüpfen lassen und
uns in eine vielversprechende Richtung davon getragen. Also
marschierten wir los, immer weiter stapften wir auf unseren breiten
Skiern in die Weite des verschneiten Tals hinein durch das munter die
Bystraja sprudelte, ohne unsere guten Ochotnikis wären wir sicher
bis zur Hüte im Schnee versunken und bei Weitem nicht so schnell
voran gekommen. Am Nachmittag machte das Tal plötzlich einen Knick
und zeigte an den Seiten eine kleinen Bauch in dem ein kleines
Wäldchen wuchs. Hier würde es sich gut aushalten lassen für ein
paar Tage, denn die Einbuchtungen boten Schutz vor Blicken, die
Lärchenbäume und der Kedratsch boten Holz für Feuer und laut den
Spuren gab es hier auch einige Tierchen die sich mit ein wenig List
und Ausdauer würden fangen lassen. Und da die Bystaja durch das Tal
sprudelte gab es folglich auch Wasser. Gut, somit machten wir uns
sofort daran einen Schneehaufen aufzuschichten der groß genug war um
ein passables Quinci für uns Beide entstehen zu lassen. Nach drei
Stunden Schnee schaufeln und alles schön festklopfen, zwei Stunden
Wartezeit bis die Schneekristalle sich miteinander verbunden hatten
und alles ausgehärtet schien buddelten wir schlussendlich eine Höhle
in den Schneehaufen. Bis zum Einbruch der Dämmerung hatten wir dann
eine komfortable Höhle gegraben die genügend Platz für ca. drei
Personen bot und ein Luftloch besaß, das wir des Nachts etwas
frische Luft bekommen, es jedoch nicht auskühlen würde. In normalen
Frostnächten bis – 20C° sank die Temperatur meist nicht unter 0C°
bis -1 C, also bei entsprechendem Wind und Wetter eine schöne warme
Unterkunft!
Somit
waren wir erst einmal versorgt, ein paar kleine Fallen gestellt, Holz
gesammelt und ein Feuer gemacht, ein Kanten Brot, ein wenig Speck
und die Welt war schon nicht mehr so arg! Ja, es fühlte sich jetzt
sogar nach richtigem Abenteuer an...Eines das wir wohl so schnell
nicht vergessen würden...
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