Montag, 10. Dezember 2012

03. Dezember - 04. Dezember, Dimschikanski Kardon, ...dunkle Tage & helle Nächte!








...dunkle Tage & helle Nächte!

Ab Sonntag Abend waren wir wieder zu zweit, die Herren des Kardons waren wieder allein auf ihrem Bollwerk gegen die Wildnis. Der letzte Vorposten der Zivilisation wollte wohl behütet sein in diesen stürmischen Tagen der nahenden Wintersonnenwende. Unser Tage wurden nun immer kürzer teilweise wurde es auch gar nicht mehr richtig Hell wenn Schneewolken die Sonnenball verhüllten, die Dunkelheit kamen nun schon früh und wichen dem Licht meist erst um 9uhr am Vormittag.
Am Montag lasen wir am Vormittag lange und gingen erst gegen Mittag in den Schnee hinaus, Micha beschäftigte sich mit Holz hacken und ich fing an nachdem ich die Wege wieder von Schnee befreit hatte, mir einen Weg in ein großes Schneefeld zu schaufeln um dort Schneeschollen ab zustechen, um diese und den restlichen Schnee zu einem mannshohen Haufen aufzutürmen. Mit dem Einbruch der Dämmerung hatte ich mein Tagesprojekt fertigstellen können und nach dem Festklopfen des großen Schneehaufens schlurfte ich mit langen Armen und schmerzen in allen Gliedmaßen in die Inspektorenhütte wo ich und Micha heute Quartier bezogen hatten um mich blindlings auf das Bett fallen zu lassen wo ich auch die nächste Stunde nicht mehr aufstand. Heute Nacht war es sternenklar und mal wieder bitter kalt draußen, unser Thermometer zeigte an die – 25C° ich noch mal Holz hohlen ging für die Nacht. Nach dem Essen lasen wir noch ein wenig und dann war jeder mit seinen Gedanken für sich allein. Großmütterchen Mond kam hinter den Berggipfeln hervor, tauchte die nächtliche Berglandschaft in ein helles bläulich- weißes Licht und die weißen Gipfel der Bergketten bildeten einen atemberaubend schönen Kontrast zu dem pechschwarzen, klaren Nachthimmel an dem tausende und aber tausende Sterne funkelten. Ruhig blies ich die Kerze aus und legte ich mich zur Nachtruhe, ließ die letzten Stunden des Tages noch mal im Geiste revuepassieren dachte, dankte dem Sternenvolk das es heute Nacht den Frost auf die Erde sandte und der die kleinen Eiskristalle in meinen Schneehaufen fest aneinander frieren lassen würde damit ich morgen eine Schneehöhle in den Haufen graben konnte. Ein schönes Projekt, und ich war dankbar es hier dank des vielen Schnees und der niedrigen Temperaturen so einfach realisieren zu können. Selig segelte ich in die Traumwelt hinüber...bis ich auf dem Zenit der Nacht erwachte, es war fast Tag hell denn die Mondin schien mir mitten auf mein Gesicht. Ich hatte den Eindruck das ich noch schief aber es war alles ganz klar und deutlich, der Schnee funkelte verwunschen und die Sterne blinkten im schwarzen Glanz des Universums, und da war es wieder, der Grund weshalb ich eigentlich erwachte. Ein sanftes Schnurren drang an mein Ohr und ich spürte eine fast leichte Vibration auf meinem Bauch, in dünnen Schleiern stieg mir plötzlich ein mir wohl bekannter Geruch in die Nase als ich mich aufsetzte, um mich zu ordnen und aus dem Fenster zu sehen. Ich weiß nicht wie lange ich gedankenverloren dort saß und mich von Großmütterchen bescheinen ließ, als mir immer wieder ein Lied durch den Kopf ging, das in dem Inneren meiner Seele widerhallten schien. Irgendwie schwang alles in mir mit der Melodie, irgendein Teil von mir sag bereits...

Ancestors sky people all here today
Hear my heart song. Hear my respect.
Hear my love. Hear my grateful tears fall.
I am truly blessed. You are truly blessed. We are truly blessed.

Und als ich gewahr wurde wann ich dieses Lied zum letzten mal für jemand gesungen hatte, sah ich es endlich, draußen am klaren, tief schwarzem Nachthimmel zwischen den weißen Bergen hob sich eine Silhouette ab. Zwischen zwei vom Mondschein weiß leuchtenden Berggipfeln, bildete das Dunkel dazwischen einen Katzenkopf mit mir vertrauten Zügen der mich durch funkelnde Sternenaugen ansah. Schnurren erfüllte wieder die Luft, Zuneigung stieg in mir auf und machte sich in meinem Körper breit, dann fühlte ich Trauer aufsteigen. Alles kam und ging , hob und senkte sich wie die Wogen eines inneren Meeres, alles sang, schnurrte, Minute um Minute, Stunde um Stunde bis ich innerlich leer war, das Schwarz zu Grau, hell graublau zu rosarot wurde...Großvater Sonne hinter den Gipfeln rot empor kroch und einen neuen Tag brachte, ein neues Leben! She`s gone! Schlaftrunken ging ich zu Bett und viel in einen tiefen Schlaf.

Es war eine komische Nacht und ich stieg mit einem seltsamen holen Gefühl aus dem Bett, irgendwas war anders, die unwirklichen Bilder der Nacht schwirrten noch durch meinen Kopf, saßen in meinem Bauch. Ich versuchte jetzt alles zu verscheuchen, mit starkem schwarzem Tee und Hirsebrei versuchte ich die Gewissheit zu wegzuschieben das wohl meine geliebte Katze Morgana zu Hause in Berlin bei meinen Eltern gestorben war. Verdammt, ich wollte heute mein Projekt fertig stellen, eine Schneehöhle mit Micha in den großen Haufen dort draußen graben und einziehen! Keine Zeit für traurige Visonen in der Nacht, ich bin nur einmal auf Kamtschatka, ich will hier sein und im Jetzt, schallt es durch meinem Kopf. Aha, Plappermann quatscht mir wieder nen Ohr ab, dachte ich so bei mir als ich meinen Hirsebrei in mich hinein schaufle, als Micha mich aus meinen Gedanken riss und mich fragte wann wir heute raus in den Schnee gehen wollen.
Den Tag über buddelten wir uns in den Schneehaufen und schippten den Schnee wieder heraus...bis am Ende endlich eine schöne geräumige Schneehöhle entstanden war, die wir mit Rentierfellen aus der Jurte auslegten und uns ein gemütliches Nachtlager bauten. Am Nachmittag kam dann unser Parkdirektor mit zwei Polizisten aus Esso auf den Schneemobilen abgebraust und fragte und ob wir ihr einen Mann gesehen hätten, der hätte nämlich vorherige Woche mit zwei seiner Jägerkollegen hier genächtigt und dann im absoluten Vollrausch auf die neue erst vor zwei Wochen installierte Solaranlage die vor dem Inspektorenhäuschen stand geschossen. Dabei hätte dieser beinahe den guten Yuri Nicolaiwitsch getroffen der grade in der Küche am Kochen war als das Projektil durch die Solaranlage schlug und an der Kante der Hütte abprallte.
Wir machen große Augen, das gibt`s doch in keem Russenfilm, nicht mal in nem Dreiteiligen! Doch... wilde wilde east in Kamtschatka direkt auf dem Dimschikanski Kardon! Die nagelneue Solaranlage des Parks, zwei Wochen nach in Beitriebnahme, von nem besoffenen Russen zerballert! Irre! Ich bin beeindruckt, wirklich! Da hilft nur noch Kopfschüttln, und kopfschüttelnd machten wir uns wieder an die Arbeit.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung als wir ein paar Felle in unsere Schneehöhle schleppten hörten wir lautes Gerassel und sahen schon von weitem eine schwarze Rauchsäule die immer näher zu kommen schien. Ha, das kann nur ein Vestichood sein der vom Savoij kommt, dem großen Rentierschlachten am Ischinsky Berg. Und tatsächlich zog ein Vestichood mit ca. 15 Leute auf dem Dach einen großen LKW hinter sich her durch das unwegsame Gelände und den Schnee! Ein eigenartiges und martialisches Bild, und es ist laut und stinkt! Unglaublich, so etwas konnte man auch wieder nur in Russland sehen, einen alten Panzer der sich völlig überladen mit einem großen Truck im Schlepptau durch die Wildnis Kamtschatkas pflügt! Heute war aber wieder was los hier am Kardon.
So, richten wir uns für die Nacht ein, aßen noch etwas im Haus, lasen etwas und krochen dann mit einem noch leicht mulmigen Gefühl in unsere geliebte Schneehöhle. Ob die wohl hält, was ist denn wenn die über uns zusammen bricht? Nach ein paar Minuten hatten wir uns akklimatisiert und Plappermann in unseren Köpfen war der Mund zugeklebt worden mit einem schönen breiten Streifen Panzertape! Jedenfalls war das in meiner Vorstellung so. :-)
Nachdem nun niemand mehr in meinem Kopf behauptete unser Bauwerk würde des Nachts über unseren Köpfen zusammenbrechen, schliefen wir selig bis nächsten Morgen. Das Thermometer in der Schneehöhle zeigte ca. 0C° bis -1C° an während es am Morgen draußen – 17C° hatte und durch unseren warmen Hauch der an den Wänden kondensierte war im Inneren unserer Schneehöhle noch eine schöne stabile Eisschicht gewachsen. Na das war doch was...

P.S. Wie wir später erfuhren transportierte das Vestichood was wir sahen exakt 30 Männer, denn ein Zweites war unterwegs liegengeblieben, somit mussten alle auf dieses eine Gefährt umsteigen, welches wir gesehen hatten. Der LKW blieb dann auf dem Steilstück des Hausberges am Dimschikanski zurück, da das Gefährt hoffnungslos überladen war und vor dem Berg zu kapitulieren drohte, Unglaublich!

Als ich am 06. Dezember wieder in Esso ankam und mein Handy wieder Empfang hatte, erreichte mich die traurige Nachricht von meiner Mutter das sich meine Katze Morgana am 03. Dezember in ein neues Leben aufgemacht hatte...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen