Montag, 20. August 2012

20. August 2012, Esso, Die Мусор Müllbrigade und der Russe an sich!





Heute war ein schöner Tag, Montag, Wochenanfang, Arbeitstag für die Meisten unter uns und vor allem Planjorka im Park! Das heißt, immer bereit zu sein für neue Überraschungen, also am Besten schon fix morgens Yoga gemacht und Meditiert, den Geist gedehnt und sich flexibel gemacht. Dann bist du gut vorbereitet und entspannt für den Montäglichen russischen Wahnsinn!
Dummerweise klingelte der Wecker recht spät, der Kascha schmeckte gut, der Tee war heiß und somit war sie dahin, die auch hier im Bystrinski Naturpark so allseits geschätzte nemecki (deutsch) Pünklichkeit. Sprich wir kamen zu spät. Aber gut, und als wir den Ort der Veränderung betraten waren endlich mal wieder alle da. Chef da, zweite Chefin ( die heimliche Königein des Bystrinski Naturparks) da, Fahrer da, alle Inspektoren da...toll, so ein Aufgebot hatte ich hier noch nie gesehen. Und wir zu spät!
Jeder berichtete was er letzte Woche getan hatte und den Plänen für diese Woche, so auch wir. Bis ich dann wiedereinmal mit dem Konfrontiert sah was die Buddhisten am ehesten mit dem Leid der Veränderung bezeichnen würden. Schaut doch mal dahinter was einen oft so unflexibel und unzufrieden macht!http://www.buddhismus-schule.de/inhalte/artenvonleid.html#veraenderung
Alle meine Pläne für heute waren mal wieder für die Katz, denn es war unbedingt von Nöten genau Heute, präziser jetzt gleich sofort, auf dem Weg zum Vulkaschiki Kardon Müll zu sammeln. Dies duldete natürlich keine Widerrede und keinen Aufschub. Okay, 5 Minuten hinausgehen, tief durchatmen, wieder rein gehen, gut ich bin dabei, sogar mit guter Laune und motiviert. Dieses Kunststück brachten jedoch heute nicht alle von uns fertig und somit war die Müllsammelkolonne heute  nur zu Viert!
Als ich mich auf den Weg zum Blitzeinkauf in freundlichsten Supermarkt Essos begab machte wiedereinmal eine grandiose Entdeckung die mich schon Lange faszinierte!

Ein riesiger Geländewagen der Firma Nissan, mit Steuer auf der linken Seite, hielt vor dem Supermarkt, es stiegen zwei Humanwesen der Gattung Mensch aus und schickten sich an den örtlichen Konsum zu betreten, was an sich nichts besonderes wäre und könnte sich auch in unseren Breitengraden zutragen, WENN und ich sage ganz bewusst wenn da nicht eine kleine Absonderlichkeit wäre! Diese Kleinigkeit, von den einen Seite betrachtet freut die Ölindustrie und kurbelt Wirtschaft an, für Andere kleinkarierte, in unserem Fall meist deutsche sogenannte ressourcenbewusste Nachhaltigkeitsfanatiker, ein tiefer Schlag in die Magengrube. Dieser von mir oft beobachtete Fakt ruft häufig ein tiefes Gefühl der Fremdheit in mir hervor und spätestens dann registriere ich, ja du bist woanders Ben, du bist in Russland!
Es handelt sich um das Nichtabstellen, Laufenlassen des Motors des Kfz im Stand, egal was man macht! So wie jetzt auch hier vor dem Konsum, man steigt aus und geht einkaufen, der Motor läuft, man räumt im Garten dinge zur Seite, der Motor läuft, man trifft Bekannte und Freunde an der Straße, hält einen Plausch ja steigt sogar aus und trinkt Wodka zusammen, der Motor läuft usw.! Leute, hier läuft wirklich fast immer der Motor. Ich machte mich nun auf die Suche nach den kulturellen Wurzeln dieser hier so weitverbreiteten Sitte. Ist es vielleicht so das man sich hier auf Kamtschatka schon im Sommer auf den harten und kalten Winter vorbereitet, wo man den Pkw auf keinen Fall abstellen darf, da man ihn sonst bei der Kälte nicht mehr an bekommt weil alles eingefroren ist? Oder ist es vielleicht ein Zeichen Wohlstand, man herzeigt was man hat, wie  zum Beispiel andere Volksgruppen geschmückt wie ein Weihnachtsbaum zum Heiligen Abend mit viel Gold  verteilt am Körper herumlaufen? Vielleicht aber auch ein Zeichen von Kultureller/ Subkultureller Zugehörigkeit, andere Menschen lassen sich ja schließlich Löcher durch sämtliste Körperteile stanzen und durziehen sie mit Ringen? Vielleicht spielen aber auch religiöse Motive für dieses Verhalten eine Rolle? Ich bin mir nicht sicher, und es ist auch nicht leicht herauszubekommen, deshalb bemühe mich um größtmöglichen Gleichmut in dieser Frage! Doch ein leichtes Verwundern und Hüsteln wenn ich im Abgas eines Fahrerlosen Wagens stehe bleibt wohl trotzdem!

Wir wurden nun alsbald von Direktor Kokorin persönlich an unseren Einsatzort gefahren. Auf dem Weg dorthin passierten wir noch die örtliche ehemalige Kolchose in der immer noch Milchkuhhaltung betrieben wird, um alte Plastikfuttersäcke zu holen um dort wiederum den aufgesammelten Plastikmüll zu verstauen. Ein Bild wie aus einem alten Film bot sich uns nun da. Ein Alter Bauersmann und ein vierschrötiger Geselle mit blauem Auge waren grade dabei, umzingelt von einem Heer von Fliegen ein frisch geschlachtetes Kalb zu zerteilen und die Fellreste und Knochenstücke liebevoll in einer alten rostigen Tonne zuversänken.
Schön nicht, wie einfach es hier noch zugeht, fernab der dt. Lebensmittelhygiene und den Doktrin der Gesundheitsämter, die die gesamten Jägerschaften bei uns in Deutschland z.B. schon unter das Joch des Verbraucherschutzes gezwungen haben. Hier darf man noch Mensch sein, frei von der Seuchen und Parasitenpanik der Medienindustrie und dem Gutmenschenterroristentum der Grünen, Vegetarier und Veganerfraktionen!
Angekommen an unserer Einsatzstelle, dem Anfang des Wanderweges zum Vulkaschiki Kardon wurden Stoffhandschuhe übergestreift und die guten Silagesäcke vom Jeep gezogen. Unser Direktor erkundigte sich nochmals ob wir genug Bärenfackeln dabei hätten, wünschte uns frohes Schaffen und brauste in einer Staubwolke davon!
Als wir die Silagesäcke aufteilen wollten, sie waren ineinander gesteckt, kam uns nicht nur ein saurer, fauliger Geruch, wer schon mal Silage gerochen hat weiß woran die feine Städternase nicht gewöhnt ist, sondern zu unser größten Freude auch viele possierliche Tierchen entgegen. Diese wurden von Clemens sofort als Schaben klassifiziert und wohnten offensichtlich in ganzen Familienverbänden in unseren vermeintlichen Müllsäcken. Also ausgeschüttelt und eingesammelt! Mir als angehender Buddhist und Tierliebhaber brach es da glatt das Herz dieses Habitat zu zerstören und diese Insekten erdbebengleich aus dem Silagesäcken zu schütteln. Nun gut, ich werde dann wohl später erleben dürfen welche karmischen Wirkungen meine Handlung später haben wird. Meine Vorstellung für heute war die Ränder eines schönen Wanderweges von Unrat befreien zu dürfen, aber der Anblick der sich mir nun bot verlangte nun doch einiges an positivem Denken! Der Wanderweg zum Vulkaschiki Kardon begann hier nämlich nach ca. 200m mit der Überquerung der örtlichen Müllkippe! Jegliches Gebüsch, und unser Auftrag lautete den Weg und die angrenzenden Gebüsche am Weg von Unrat/ Plastikmüll zu befreien, war mit vom Wind verwehten und teils überwachsenen Plastiktüten und Verpackungen aller Art stark verschmutzt. Klar, denn auf der Müllkippe befand sich immer noch viel Haushaltsmüll der bekanntlich eben viel Plastikmüll und diese dünnen Plastiktüten, die Geißel der westlichen Zivilisation die schon in anderen Ländern der Erde die Tier und Pflanzenwelt zerstört, enthält. Es forderte viel Einsatzbereitschaft und einen festen Glauben das auch kleine Taten Änderungen bewirken, mit den stinkenden Silagesäcken, durchnässten Stoffhandschuhen, durchs Gebüsch zu kriechen und den verdammten Wohlstandmüll der Siedlungsbewohner von Esso aufzusammeln. Am Anfang war ich noch fröhlich singend mit unserem Müllsammelkolonnenhit „ I`m looking for Mucor, I´m looking for fun“ ( Mucor = russ. Müll), frei entlehnt nach David Hasselhoff, wenn ihr euch noch an unseren in den 90ern singenden Bademeister von Baywatch erinnern wollt, durchs Gebüsch gerobbt. Doch 6 verdammt stinkende Müllsäcke später war es dann leider vorbei mit buddhistischem Gleichmut und dem positivem Denken, meine Grenze war überschritten und ich hatte nicht schlecht Lust den Bewohnern von Esso ihren stinkenden Plastikmüll auf den Dorfplatz zu kippen! Meine Laune trübte auch die Erkenntnis das beim nächsten starken Wind, der hier nicht so selten ist, der noch reichlich vorhandene Plastikmüll auf der Müllkippe sich wieder in die von uns gesäuberten Gebüsche und den auf dem Weg verteilen würde. Zudem kam noch Stellenweise das wenn man die obere Schicht Müll abgesammelt hatte, unter dem Laub noch 3-4 Schichten eingewachsen Mülls zum Vorschein kamen. Oh man, wirklich trübe Aussichten! Und dazu kam noch ein immer stärker werdendes Gefühl ausgenutzt geworden zu sein, da offensichtlich kein anderer Lust hatte diese Arbeit zu verrichten, schickt man eben die Volontäre! Okay, ick schwöre mir das das definitiv mein letzter Job ist für den Park diese Woche! Dann ist Schicht...sowohl bei mir als auch bei den Anderen, aber der Wagen ist voll! Wir rufen Cheffe an das wir fertig sind, suchen noch auf der Müllkippe nach Ersatzteilen für unser Basa-Fahrrad und werden dann von einem gut gelaunten Direktor Kokorin eingesammelt! Tja, heute habe ich wieder einmal viel gelernt, über mich, mein Verhalten in frustrierenden Situationen, wie sich meine Gefühlslage mit der Zeit immer wieder verändert, über unser umgehen mit Mutter Natur, wie wir mit anderen Lebewesen umgehen. Nun werde doch noch demütig...
Heute war ein guter Tag, ich bin dankbar! Ich gehe jetzt in die Basa, Cheiko und Ninja haben für alle gekocht, es gibt Abendessen, auch dafür bin ich dankbar, dankbar für diese Gemeinschaft!

Ben


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