Heute war ein schöner Tag, Montag,
Wochenanfang, Arbeitstag für die Meisten unter uns und vor allem
Planjorka im Park! Das heißt, immer bereit zu sein für neue
Überraschungen, also am Besten schon fix morgens Yoga gemacht und
Meditiert, den Geist gedehnt und sich flexibel gemacht. Dann bist du
gut vorbereitet und entspannt für den Montäglichen russischen
Wahnsinn!
Dummerweise klingelte der Wecker recht
spät, der Kascha schmeckte gut, der Tee war heiß und somit war sie
dahin, die auch hier im Bystrinski Naturpark so allseits geschätzte
nemecki (deutsch) Pünklichkeit. Sprich wir kamen zu spät. Aber gut,
und als wir den Ort der Veränderung betraten waren endlich mal
wieder alle da. Chef da, zweite Chefin ( die heimliche Königein des
Bystrinski Naturparks) da, Fahrer da, alle Inspektoren da...toll, so
ein Aufgebot hatte ich hier noch nie gesehen. Und wir zu spät!
Jeder berichtete was er letzte Woche getan hatte
und den Plänen für diese Woche, so auch wir. Bis ich dann
wiedereinmal mit dem Konfrontiert sah was die Buddhisten am ehesten
mit dem Leid der Veränderung bezeichnen würden. Schaut doch mal
dahinter was einen oft so unflexibel und unzufrieden
macht!http://www.buddhismus-schule.de/inhalte/artenvonleid.html#veraenderung
Alle meine Pläne für heute waren mal
wieder für die Katz, denn es war unbedingt von Nöten genau Heute,
präziser jetzt gleich sofort, auf dem Weg zum Vulkaschiki Kardon
Müll zu sammeln. Dies duldete natürlich keine Widerrede und keinen
Aufschub. Okay, 5 Minuten hinausgehen, tief durchatmen, wieder
rein gehen, gut ich bin dabei, sogar mit guter Laune und motiviert.
Dieses Kunststück brachten jedoch heute nicht alle von uns fertig
und somit war die Müllsammelkolonne heute nur zu Viert!
Als ich mich auf den Weg zum
Blitzeinkauf in freundlichsten Supermarkt Essos begab machte
wiedereinmal eine grandiose Entdeckung die mich schon Lange
faszinierte!
Ein riesiger Geländewagen der Firma
Nissan, mit Steuer auf der linken Seite, hielt vor dem Supermarkt, es
stiegen zwei Humanwesen der Gattung Mensch aus und schickten sich an
den örtlichen Konsum zu betreten, was an sich nichts besonderes wäre
und könnte sich auch in unseren Breitengraden zutragen, WENN und ich
sage ganz bewusst wenn da nicht eine kleine Absonderlichkeit wäre!
Diese Kleinigkeit, von den einen Seite betrachtet freut die Ölindustrie und
kurbelt Wirtschaft an, für Andere kleinkarierte, in unserem Fall
meist deutsche sogenannte ressourcenbewusste
Nachhaltigkeitsfanatiker, ein tiefer Schlag in die Magengrube. Dieser
von mir oft beobachtete Fakt ruft häufig ein tiefes Gefühl der
Fremdheit in mir hervor und spätestens dann registriere ich, ja du bist
woanders Ben, du bist in Russland!
Es handelt sich um das Nichtabstellen,
Laufenlassen des Motors des Kfz im Stand, egal was man macht! So wie
jetzt auch hier vor dem Konsum, man steigt aus und geht einkaufen,
der Motor läuft, man räumt im Garten dinge zur Seite, der Motor
läuft, man trifft Bekannte und Freunde an der Straße, hält einen
Plausch ja steigt sogar aus und trinkt Wodka zusammen, der Motor
läuft usw.! Leute, hier läuft wirklich fast immer der Motor.
Ich machte mich nun auf die Suche nach den kulturellen Wurzeln dieser
hier so weitverbreiteten Sitte. Ist es vielleicht so das man sich
hier auf Kamtschatka schon im Sommer auf den harten und kalten Winter
vorbereitet, wo man den Pkw auf keinen Fall abstellen darf, da man
ihn sonst bei der Kälte nicht mehr an bekommt weil alles eingefroren
ist? Oder ist es vielleicht ein Zeichen Wohlstand, man herzeigt was man hat, wie zum Beispiel andere Volksgruppen geschmückt wie ein Weihnachtsbaum zum Heiligen Abend mit viel Gold verteilt am
Körper herumlaufen? Vielleicht aber auch ein Zeichen von Kultureller/ Subkultureller Zugehörigkeit, andere Menschen lassen sich ja schließlich Löcher durch sämtliste Körperteile stanzen und durziehen sie mit Ringen? Vielleicht spielen aber auch religiöse
Motive für dieses Verhalten eine Rolle? Ich bin mir nicht sicher,
und es ist auch nicht leicht herauszubekommen, deshalb bemühe
mich um größtmöglichen Gleichmut in dieser Frage! Doch ein
leichtes Verwundern und Hüsteln wenn ich im Abgas eines Fahrerlosen Wagens stehe
bleibt wohl trotzdem!
Wir wurden nun alsbald von Direktor
Kokorin persönlich an unseren Einsatzort gefahren. Auf dem Weg
dorthin passierten wir noch die örtliche ehemalige Kolchose in der
immer noch Milchkuhhaltung betrieben wird, um alte
Plastikfuttersäcke zu holen um dort wiederum den aufgesammelten
Plastikmüll zu verstauen. Ein Bild wie aus einem alten Film bot sich uns nun da. Ein
Alter Bauersmann und ein vierschrötiger Geselle mit blauem Auge
waren grade dabei, umzingelt von einem Heer von Fliegen ein frisch
geschlachtetes Kalb zu zerteilen und die Fellreste und Knochenstücke liebevoll in einer
alten rostigen Tonne zuversänken.
Schön nicht, wie einfach es hier noch
zugeht, fernab der dt. Lebensmittelhygiene und den Doktrin der
Gesundheitsämter, die die gesamten Jägerschaften bei uns in
Deutschland z.B. schon unter das Joch des Verbraucherschutzes
gezwungen haben. Hier darf man noch Mensch sein, frei von der Seuchen
und Parasitenpanik der Medienindustrie und dem
Gutmenschenterroristentum der Grünen, Vegetarier und
Veganerfraktionen!
Angekommen an unserer Einsatzstelle,
dem Anfang des Wanderweges zum Vulkaschiki Kardon wurden
Stoffhandschuhe übergestreift und die guten Silagesäcke vom Jeep
gezogen. Unser Direktor erkundigte sich nochmals ob wir genug
Bärenfackeln dabei hätten, wünschte uns frohes Schaffen und
brauste in einer Staubwolke davon!
Als wir die Silagesäcke aufteilen
wollten, sie waren ineinander gesteckt, kam uns nicht nur ein saurer,
fauliger Geruch, wer schon mal Silage gerochen hat weiß woran die
feine Städternase nicht gewöhnt ist, sondern zu unser größten Freude auch
viele possierliche Tierchen entgegen. Diese wurden von Clemens sofort
als Schaben klassifiziert und wohnten offensichtlich in ganzen
Familienverbänden in unseren vermeintlichen Müllsäcken. Also
ausgeschüttelt und eingesammelt! Mir als angehender Buddhist und
Tierliebhaber brach es da glatt das Herz dieses Habitat zu zerstören
und diese Insekten erdbebengleich aus dem Silagesäcken zu schütteln.
Nun gut, ich werde dann wohl später erleben dürfen welche
karmischen Wirkungen meine Handlung später haben wird. Meine
Vorstellung für heute war die Ränder eines schönen Wanderweges
von Unrat befreien zu dürfen, aber der Anblick der sich mir nun bot
verlangte nun doch einiges an positivem Denken! Der Wanderweg zum
Vulkaschiki Kardon begann hier nämlich nach ca. 200m mit der
Überquerung der örtlichen Müllkippe! Jegliches Gebüsch, und
unser Auftrag lautete den Weg und die angrenzenden Gebüsche am Weg
von Unrat/ Plastikmüll zu befreien, war mit vom Wind verwehten und
teils überwachsenen Plastiktüten und Verpackungen aller Art stark
verschmutzt. Klar, denn auf der Müllkippe befand sich immer noch
viel Haushaltsmüll der bekanntlich eben viel Plastikmüll und diese
dünnen Plastiktüten, die Geißel der westlichen Zivilisation die
schon in anderen Ländern der Erde die Tier und Pflanzenwelt
zerstört, enthält. Es forderte viel Einsatzbereitschaft und einen
festen Glauben das auch kleine Taten Änderungen bewirken, mit den
stinkenden Silagesäcken, durchnässten Stoffhandschuhen, durchs
Gebüsch zu kriechen und den verdammten Wohlstandmüll der
Siedlungsbewohner von Esso aufzusammeln. Am Anfang war ich noch
fröhlich singend mit unserem Müllsammelkolonnenhit „ I`m looking
for Mucor, I´m looking for fun“ ( Mucor = russ. Müll), frei
entlehnt nach David Hasselhoff, wenn ihr euch noch an unseren in den
90ern singenden Bademeister von Baywatch erinnern wollt, durchs
Gebüsch gerobbt. Doch 6 verdammt stinkende Müllsäcke später war
es dann leider vorbei mit buddhistischem Gleichmut und dem positivem
Denken, meine Grenze war überschritten und ich hatte nicht schlecht
Lust den Bewohnern von Esso ihren stinkenden Plastikmüll auf den
Dorfplatz zu kippen! Meine Laune trübte auch die Erkenntnis das beim
nächsten starken Wind, der hier nicht so selten ist, der noch
reichlich vorhandene Plastikmüll auf der Müllkippe sich wieder in
die von uns gesäuberten Gebüsche und den auf dem Weg verteilen
würde. Zudem kam noch Stellenweise das wenn man die obere Schicht Müll abgesammelt hatte, unter dem Laub noch 3-4 Schichten eingewachsen Mülls zum Vorschein kamen. Oh
man, wirklich trübe Aussichten! Und dazu kam noch ein immer stärker werdendes
Gefühl ausgenutzt geworden zu sein, da offensichtlich kein anderer Lust hatte
diese Arbeit zu verrichten, schickt man eben die Volontäre! Okay,
ick schwöre mir das das definitiv mein letzter Job ist für den Park diese
Woche! Dann ist Schicht...sowohl bei mir als auch bei den Anderen, aber
der Wagen ist voll! Wir rufen Cheffe an das wir fertig sind, suchen
noch auf der Müllkippe nach Ersatzteilen für unser Basa-Fahrrad und
werden dann von einem gut gelaunten Direktor Kokorin eingesammelt!
Tja, heute habe ich wieder einmal viel gelernt, über mich, mein
Verhalten in frustrierenden Situationen, wie sich meine Gefühlslage
mit der Zeit immer wieder verändert, über unser umgehen mit Mutter
Natur, wie wir mit anderen Lebewesen umgehen. Nun werde doch noch demütig...
Heute war ein guter Tag, ich bin
dankbar! Ich gehe jetzt in die Basa, Cheiko und Ninja haben für alle
gekocht, es gibt Abendessen, auch dafür bin ich dankbar, dankbar für
diese Gemeinschaft!
Ben
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