Freitag, 10. August 2012

06. - 08. August 2012, Tscherem Tschanka












Verhangen war der Himmel an diesem Tag als wir aus dem Haus traten, die Luft war schon am Morgens stickig, die Hitze drückend. Die Waldbrände die irgendwo auf dem sibirischen Festland wüteten verschleierten nun schon seit ein paar Tagen die Sonne und alles war in ein seltsam gleißendes Licht getaucht. Die Luft ließ Augen tränen und das atmen viel manchem schwer.
Trotzdem entschieden wir uns zum Aufbruch zu unseren Untersuchungsgebieten um den Tscherem Tschanka. Tscherem Tscha wird hier im übrigem der Bärlauch hier genannt und jene Wälder um den Berg sind im Mai/ Juni voll davon.
Heute wollte uns Ninja eine Mitvolontärin von uns begleiten, die hatte sich im Übrigen auch den linken Fuß verknackst auf ihrer Ketatschantour, leider scheiterte dieses Unternehmen bereits 1500 m nach dem verlassen der Basa an den Warmwasserrohren denen man hier überall hier in Esso begegnet und die es ständig zu übersteigen gilt. Und das Übersteigen eines solchen, in fieser Kniehöhe quer durch die Landschaft verlegtem, gut getarnten Rohres brachte die tapfere Ninja zu Fall. Tja, das war es dann erstmal mit unserem Experiment eine weibliche Begleitung mit auf eine Exkursion zu nehmen. Nach tränenreichem Abschied humpelte Ninja betrübt in die Basa zurück und wir verdattert gen Dorfausgang von Esso. Na dit fing ja schon Jut an!
Als der Weg zum Tscherem Tschanka etwas steiler wurde war unser spanischer Blitz Adria plötzlich im Gebüsch verschwunden und kam mit gequälter Miene und einer Rolle vom laufenden Meter, Marke Sandpapier, wieder zum Vorschein. Super, flotter Otto war angesagt der den Reisenden in dieser beschaulichen Umgebung inmitten von Beerensträuchern, Erlengestrüpp und einem Arsch voller Moskitos, die einem in den Selbigen stechen, während der Geplagte mit Schweiße seines Angesichts ächtend hernieder fährt. Nein, ein sehr sehr ungünstiger Ort für Diarrhögeplagte!
Der weitere Aufstieg benötigte also weitere kleine spontane Pausen und das Gelände stieg stetig immer steiler an. Ich fand jetzt auch immer häufiger neben Trittsiegeln kleine, frische Hinterlassenschaften der Bären auf dem Weg und bald einen Baum, bei Wildschweinen würden wir wohl Mahlbaum sagen, an dem sich Meister Petzt wohl vor kurzem ordentlich geschubbert hatte. Jetzt wurden die Bärenfackeln aus der Deckeltasche des Rucksacks in die Seitentasche der Hosen verlegt und die Spannung stieg.
Doch blieb uns heute ein spontanes Treffen mit den pelzigen Uhreinwohnern Kamtschatkas erspart.
Das Bärenwarnsystem würde heute besonders gründlich um unseren Zeltplatz im Nichts installiert werden! Feuer, Essen schlafen gehen.
Um sechs war die Nacht vorbei uns ich und Micha gingen auf die Vogelpirsch, Adria hütete das Zelt und unsere Pflanzenfreunde Clemens und Heiko würden sich erst später in den Busch machen. Es war sehr nass und sehr sehr Früh, was die Vogelleute nicht im geringsten zu interessieren schien, denn die trällerten schon seit halb 5 Uhr fröhlich drauf los und doch war es schon nicht mehr so intensiv wie die letzten Wochen. Ja, ein Hauch Herbst mischte sich schon ab und zu unter die noch grüne Landschaft und bracht kleine Farbkleckse hervor.
Und auf einmal war es dann soweit, schon nass bis auf die Unterhose von den Hochstaudenfelden die im Birkenwald wuchsen, standen wir nun plötzlich im sagenumwobenen Keteratsch (Zwergkiefern Gestüpp). Irre, jenau dit hatte ick jetz jebraucht! Es wechselte jetzt also zwischen Keteratsch, Kriechweiden,- Erlengestrüpp und Staudengewächsen. Dann gings 400 hm Berg ab bis auf die Talsohle und dann war klettern angesagt.
Auf das alles war ich so nicht eingestellt gewesen, was sich jetzt deutlich bemerkbarmachte. Meine Laune sank in den Keller und ich blubberte fluchend vor mich hin! Micha hatte vorher zwar GPS Daten erfasst doch vergessen die Überflüssigen Wegpunkte zu löschen und somit hatten wir eine lustige Anzahl von Wegpunkten die so an sich keinen wirklichen Sinn mehr ergaben! Toll oder? Und sone Info dann mitten im Keteratsch zu bekommen wo wir uns grade wieder Bergauf kämpfen war sehr erbaulich. Die nächsten 200 hm Hang aufwärts bestanden aus einem Gemisch aus dichtem Sorbus(Eberesche) und Alnusgestüpp(Erle), hohes Gras mit Birken, dann wieder Felder mit dichtem Keteratsch. Ich guckte auf die Uhr und überlegte, wir hatten bis hier 2,5h gebraucht, für die letzten 100m ca. 30 Minuten! Tja, das sah nicht gut aus und ich überlegte wo und wann jetzt genau für mich Feierabend sein würde, wenn ich bedenke das wir auch wieder zurück müssen. Es sollten auch noch Zelte abgebaut und nach Esso abgestiegen werden was wohl auch noch ca. 4 Stunden Abstieg heißen würde.
Ja, so eine Situation hatte ich schon lange nicht mehr! Oder vielleicht doch, nur in einem anderen Kontext? Denn das Gefühl was sich einstellte, dachte ich, das kannte ich genau!Was ist mit Arbeitssituationen, was ist mit Situationen im meinem Leben wo ich auch an meine Belastungsgrenze kam, mich entscheiden musste ob es gut ist weiter zu gehen, oder ich vielleicht über meine Grenzen gehe? Nur manchmal viel subtiler und über einen längeren Zeitraum als so direkt wie ich es jetzt hier erlebe? Ist das nicht die selbe Lernaufgabe? Tja, da hängste nu im Kieferngestüpp und fängst an dir philosophische Gedenken über das Leben zu machen! Paradox oder?
Ich entschied mich für die Zeit, bis um 12 Uhr gehe ich mit, wir kämpfen uns weiter durch, versuchen weiter Aufnahmen zu machen, dann is Pumpe, umkehren! Gesagt...getan und wir schaffen tatsächlich auch unser Tagesziel dann kämpfen wir uns zurück!
An einem Fluss lassen wir Literweise Wasser in uns hinein laufen und nach einer kleinen pause geht es wieder bergauf, klettern, ja wieder durch und in Zwergkiefern! So etwas irres! Zwergkiefern, Fels, Zwergkiefern. Nach 200 hm lässt die Steigerung etwas nach und es tauchen Moos, - Grasfelder zwischen den Zwergkieferfeldern auf. Es läuft sich hier wie im Tiefschnee und ich und Micha erinnern uns an unsere Schneeschuhtouren, einer geht vor und spurt, dann der Andere. Auch wenn es nur der psychologische Effekt ist, es hilft!
Dann halte mich durch das Absingen von Mantren bei Kraft und Laune...
Taumelnd legen wir die letzten Meter zurück, durch Hüfthöhe Stauden und Ebereschen, das GPS sagt noch 195m, man sieht nix außer den unendlichen Busch. Die grüne Hölle von Kamtschatka schießt es mir durch den Kopf! Und ganz plötzlich öffnet sich die Pflanzenwand vor uns und wir stehen auf unserer Lichtung. Es ist 15Uhr, Umfallt...!
Um ca. 18 Uhr sind wir kurz vor Esso...


Ende der Durchsage für Heute!

Ben






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