Verhangen
war der Himmel an diesem Tag als wir aus dem Haus traten, die Luft
war schon am Morgens stickig, die Hitze drückend. Die Waldbrände
die irgendwo auf dem sibirischen Festland wüteten verschleierten nun
schon seit ein paar Tagen die Sonne und alles war in ein seltsam
gleißendes Licht getaucht. Die Luft ließ Augen tränen und das
atmen viel manchem schwer.
Trotzdem
entschieden wir uns zum Aufbruch zu unseren Untersuchungsgebieten um
den Tscherem Tschanka. Tscherem Tscha wird hier im übrigem der
Bärlauch hier genannt und jene Wälder um den Berg sind im Mai/ Juni
voll davon.
Heute
wollte uns Ninja eine Mitvolontärin von uns begleiten, die hatte
sich im Übrigen auch den linken Fuß verknackst auf ihrer
Ketatschantour, leider scheiterte dieses Unternehmen bereits 1500 m
nach dem verlassen der Basa an den Warmwasserrohren denen man hier
überall hier in Esso begegnet und die es ständig zu übersteigen
gilt. Und das Übersteigen eines solchen, in fieser Kniehöhe quer
durch die Landschaft verlegtem, gut getarnten Rohres brachte die
tapfere Ninja zu Fall. Tja, das war es dann erstmal mit unserem
Experiment eine weibliche Begleitung mit auf eine Exkursion zu
nehmen. Nach tränenreichem Abschied humpelte Ninja betrübt in die
Basa zurück und wir verdattert gen Dorfausgang von Esso. Na dit fing
ja schon Jut an!
Als der Weg
zum Tscherem Tschanka etwas steiler wurde war unser spanischer Blitz
Adria plötzlich im Gebüsch verschwunden und kam mit gequälter
Miene und einer Rolle vom laufenden Meter, Marke Sandpapier, wieder
zum Vorschein. Super, flotter Otto war angesagt der den Reisenden in
dieser beschaulichen Umgebung inmitten von Beerensträuchern,
Erlengestrüpp und einem Arsch voller Moskitos, die einem in den
Selbigen stechen, während der Geplagte mit Schweiße seines
Angesichts ächtend hernieder fährt. Nein, ein sehr sehr ungünstiger
Ort für Diarrhögeplagte!
Der weitere
Aufstieg benötigte also weitere kleine spontane Pausen und das
Gelände stieg stetig immer steiler an. Ich fand jetzt auch immer
häufiger neben Trittsiegeln kleine, frische Hinterlassenschaften der
Bären auf dem Weg und bald einen Baum, bei Wildschweinen würden wir
wohl Mahlbaum sagen, an dem sich Meister Petzt wohl vor kurzem
ordentlich geschubbert hatte. Jetzt wurden die Bärenfackeln aus der
Deckeltasche des Rucksacks in die Seitentasche der Hosen verlegt und
die Spannung stieg.
Doch blieb
uns heute ein spontanes Treffen mit den pelzigen Uhreinwohnern
Kamtschatkas erspart.
Das
Bärenwarnsystem würde heute besonders gründlich um unseren
Zeltplatz im Nichts installiert werden! Feuer, Essen schlafen gehen.
Um sechs
war die Nacht vorbei uns ich und Micha gingen auf die Vogelpirsch,
Adria hütete das Zelt und unsere Pflanzenfreunde Clemens und Heiko
würden sich erst später in den Busch machen. Es war sehr nass und
sehr sehr Früh, was die Vogelleute nicht im geringsten zu
interessieren schien, denn die trällerten schon seit halb 5 Uhr
fröhlich drauf los und doch war es schon nicht mehr so intensiv wie
die letzten Wochen. Ja, ein Hauch Herbst mischte sich schon ab und zu
unter die noch grüne Landschaft und bracht kleine Farbkleckse
hervor.
Und auf
einmal war es dann soweit, schon nass bis auf die Unterhose von den
Hochstaudenfelden die im Birkenwald wuchsen, standen wir nun
plötzlich im sagenumwobenen Keteratsch (Zwergkiefern Gestüpp).
Irre, jenau dit hatte ick jetz jebraucht! Es wechselte jetzt also
zwischen Keteratsch, Kriechweiden,- Erlengestrüpp und
Staudengewächsen. Dann gings 400 hm Berg ab bis auf die Talsohle und
dann war klettern angesagt.
Auf das
alles war ich so nicht eingestellt gewesen, was sich jetzt deutlich
bemerkbarmachte. Meine Laune sank in den Keller und ich blubberte
fluchend vor mich hin! Micha hatte vorher zwar GPS Daten erfasst doch
vergessen die Überflüssigen Wegpunkte zu löschen und somit hatten
wir eine lustige Anzahl von Wegpunkten die so an sich keinen
wirklichen Sinn mehr ergaben! Toll oder? Und sone Info dann mitten
im Keteratsch zu bekommen wo wir uns grade wieder Bergauf kämpfen
war sehr erbaulich. Die nächsten 200 hm Hang aufwärts bestanden aus
einem Gemisch aus dichtem Sorbus(Eberesche) und Alnusgestüpp(Erle),
hohes Gras mit Birken, dann wieder Felder mit dichtem Keteratsch. Ich
guckte auf die Uhr und überlegte, wir hatten bis hier 2,5h
gebraucht, für die letzten 100m ca. 30 Minuten! Tja, das sah nicht
gut aus und ich überlegte wo und wann jetzt genau für mich
Feierabend sein würde, wenn ich bedenke das wir auch wieder zurück
müssen. Es sollten auch noch Zelte abgebaut und nach Esso
abgestiegen werden was wohl auch noch ca. 4 Stunden Abstieg heißen
würde.
Ja, so eine
Situation hatte ich schon lange nicht mehr! Oder vielleicht doch, nur
in einem anderen Kontext? Denn das Gefühl was sich einstellte,
dachte ich, das kannte ich genau!Was ist mit Arbeitssituationen, was
ist mit Situationen im meinem Leben wo ich auch an meine
Belastungsgrenze kam, mich entscheiden musste ob es gut ist weiter zu
gehen, oder ich vielleicht über meine Grenzen gehe? Nur manchmal
viel subtiler und über einen längeren Zeitraum als so direkt wie
ich es jetzt hier erlebe? Ist das nicht die selbe Lernaufgabe? Tja,
da hängste nu im Kieferngestüpp und fängst an dir philosophische
Gedenken über das Leben zu machen! Paradox oder?
Ich
entschied mich für die Zeit, bis um 12 Uhr gehe ich mit, wir kämpfen
uns weiter durch, versuchen weiter Aufnahmen zu machen, dann is
Pumpe, umkehren! Gesagt...getan und wir schaffen tatsächlich auch
unser Tagesziel dann kämpfen wir uns zurück!
An einem
Fluss lassen wir Literweise Wasser in uns hinein laufen und nach
einer kleinen pause geht es wieder bergauf, klettern, ja wieder durch
und in Zwergkiefern! So etwas irres! Zwergkiefern, Fels,
Zwergkiefern. Nach 200 hm lässt die Steigerung etwas nach und es
tauchen Moos, - Grasfelder zwischen den Zwergkieferfeldern auf. Es
läuft sich hier wie im Tiefschnee und ich und Micha erinnern uns an
unsere Schneeschuhtouren, einer geht vor und spurt, dann der Andere.
Auch wenn es nur der psychologische Effekt ist, es hilft!
Dann halte
mich durch das Absingen von Mantren bei Kraft und Laune...
Taumelnd
legen wir die letzten Meter zurück, durch Hüfthöhe Stauden und
Ebereschen, das GPS sagt noch 195m, man sieht nix außer den
unendlichen Busch. Die grüne Hölle von Kamtschatka schießt es mir
durch den Kopf! Und ganz plötzlich öffnet sich die Pflanzenwand vor
uns und wir stehen auf unserer Lichtung. Es ist 15Uhr, Umfallt...!
Um ca. 18
Uhr sind wir kurz vor Esso...
Ende der
Durchsage für Heute!
Ben
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen