...dunkle
Tage & helle Nächte!
Ab Sonntag
Abend waren wir wieder zu zweit, die Herren des Kardons waren wieder
allein auf ihrem Bollwerk gegen die Wildnis. Der letzte Vorposten der
Zivilisation wollte wohl behütet sein in diesen stürmischen Tagen
der nahenden Wintersonnenwende. Unser Tage wurden nun immer kürzer
teilweise wurde es auch gar nicht mehr richtig Hell wenn Schneewolken
die Sonnenball verhüllten, die Dunkelheit kamen nun schon früh und
wichen dem Licht meist erst um 9uhr am Vormittag.
Am Montag
lasen wir am Vormittag lange und gingen erst gegen Mittag in den
Schnee hinaus, Micha beschäftigte sich mit Holz hacken und ich fing
an nachdem ich die Wege wieder von Schnee befreit hatte, mir einen
Weg in ein großes Schneefeld zu schaufeln um dort Schneeschollen ab
zustechen, um diese und den restlichen Schnee zu einem mannshohen
Haufen aufzutürmen. Mit dem Einbruch der Dämmerung hatte ich mein
Tagesprojekt fertigstellen können und nach dem Festklopfen des
großen Schneehaufens schlurfte ich mit langen Armen und schmerzen in
allen Gliedmaßen in die Inspektorenhütte wo ich und Micha heute
Quartier bezogen hatten um mich blindlings auf das Bett fallen zu
lassen wo ich auch die nächste Stunde nicht mehr aufstand. Heute
Nacht war es sternenklar und mal wieder bitter kalt draußen, unser
Thermometer zeigte an die – 25C° ich noch mal Holz hohlen ging für
die Nacht. Nach dem Essen lasen wir noch ein wenig und dann war jeder
mit seinen Gedanken für sich allein. Großmütterchen Mond kam
hinter den Berggipfeln hervor, tauchte die nächtliche Berglandschaft
in ein helles bläulich- weißes Licht und die weißen Gipfel der
Bergketten bildeten einen atemberaubend schönen Kontrast zu dem
pechschwarzen, klaren Nachthimmel an dem tausende und aber tausende
Sterne funkelten. Ruhig blies ich die Kerze aus und legte ich mich
zur Nachtruhe, ließ die letzten Stunden des Tages noch mal im
Geiste revuepassieren dachte, dankte dem Sternenvolk das es heute
Nacht den Frost auf die Erde sandte und der die kleinen Eiskristalle
in meinen Schneehaufen fest aneinander frieren lassen würde damit
ich morgen eine Schneehöhle in den Haufen graben konnte. Ein schönes
Projekt, und ich war dankbar es hier dank des vielen Schnees und der
niedrigen Temperaturen so einfach realisieren zu können. Selig
segelte ich in die Traumwelt hinüber...bis ich auf dem Zenit der
Nacht erwachte, es war fast Tag hell denn die Mondin schien mir
mitten auf mein Gesicht. Ich hatte den Eindruck das ich noch schief
aber es war alles ganz klar und deutlich, der Schnee funkelte
verwunschen und die Sterne blinkten im schwarzen Glanz des
Universums, und da war es wieder, der Grund weshalb ich eigentlich
erwachte. Ein sanftes Schnurren drang an mein Ohr und ich spürte
eine fast leichte Vibration auf meinem Bauch, in dünnen Schleiern
stieg mir plötzlich ein mir wohl bekannter Geruch in die Nase als
ich mich aufsetzte, um mich zu ordnen und aus dem Fenster zu sehen.
Ich weiß nicht wie lange ich gedankenverloren dort saß und mich von
Großmütterchen bescheinen ließ, als mir immer wieder ein Lied
durch den Kopf ging, das in dem Inneren meiner Seele widerhallten
schien. Irgendwie schwang alles in mir mit der Melodie, irgendein
Teil von mir sag bereits...
Ancestors sky people all here today
Hear my heart song. Hear my respect.
Hear my love. Hear my grateful tears fall.
I am truly blessed. You are truly blessed. We are truly blessed.
Und als ich
gewahr wurde wann ich dieses Lied zum letzten mal für jemand
gesungen hatte, sah ich es endlich, draußen am klaren, tief
schwarzem Nachthimmel zwischen den weißen Bergen hob sich eine
Silhouette ab. Zwischen zwei vom Mondschein weiß leuchtenden
Berggipfeln, bildete das Dunkel dazwischen einen Katzenkopf mit mir
vertrauten Zügen der mich durch funkelnde Sternenaugen ansah.
Schnurren erfüllte wieder die Luft, Zuneigung stieg in mir auf und
machte sich in meinem Körper breit, dann fühlte ich Trauer
aufsteigen. Alles kam und ging , hob und senkte sich wie die Wogen
eines inneren Meeres, alles sang, schnurrte, Minute um Minute, Stunde
um Stunde bis ich innerlich leer war, das Schwarz zu Grau, hell
graublau zu rosarot wurde...Großvater Sonne hinter den Gipfeln rot
empor kroch und einen neuen Tag brachte, ein neues Leben! She`s gone!
Schlaftrunken ging ich zu Bett und viel in einen tiefen Schlaf.
Es war eine
komische Nacht und ich stieg mit einem seltsamen holen Gefühl aus
dem Bett, irgendwas war anders, die unwirklichen Bilder der Nacht
schwirrten noch durch meinen Kopf, saßen in meinem Bauch. Ich
versuchte jetzt alles zu verscheuchen, mit starkem schwarzem Tee und
Hirsebrei versuchte ich die Gewissheit zu wegzuschieben das wohl
meine geliebte Katze Morgana zu Hause in Berlin bei meinen Eltern
gestorben war. Verdammt, ich wollte heute mein Projekt fertig
stellen, eine Schneehöhle mit Micha in den großen Haufen dort
draußen graben und einziehen! Keine Zeit für traurige Visonen in
der Nacht, ich bin nur einmal auf Kamtschatka, ich will hier sein und
im Jetzt, schallt es durch meinem Kopf. Aha, Plappermann quatscht mir
wieder nen Ohr ab, dachte ich so bei mir als ich meinen Hirsebrei in
mich hinein schaufle, als Micha mich aus meinen Gedanken riss und
mich fragte wann wir heute raus in den Schnee gehen wollen.
Den Tag
über buddelten wir uns in den Schneehaufen und schippten den Schnee
wieder heraus...bis am Ende endlich eine schöne geräumige
Schneehöhle entstanden war, die wir mit Rentierfellen aus der Jurte
auslegten und uns ein gemütliches Nachtlager bauten. Am Nachmittag
kam dann unser Parkdirektor mit zwei Polizisten aus Esso auf den
Schneemobilen abgebraust und fragte und ob wir ihr einen Mann gesehen
hätten, der hätte nämlich vorherige Woche mit zwei seiner
Jägerkollegen hier genächtigt und dann im absoluten Vollrausch auf
die neue erst vor zwei Wochen installierte Solaranlage die vor dem
Inspektorenhäuschen stand geschossen. Dabei hätte dieser beinahe
den guten Yuri Nicolaiwitsch getroffen der grade in der Küche am
Kochen war als das Projektil durch die Solaranlage schlug und an der
Kante der Hütte abprallte.
Wir machen
große Augen, das gibt`s doch in keem Russenfilm, nicht mal in nem
Dreiteiligen! Doch... wilde wilde east in Kamtschatka direkt auf dem
Dimschikanski Kardon! Die nagelneue Solaranlage des Parks, zwei
Wochen nach in Beitriebnahme, von nem besoffenen Russen zerballert!
Irre! Ich bin beeindruckt, wirklich! Da hilft nur noch Kopfschüttln,
und kopfschüttelnd machten wir uns wieder an die Arbeit.
Kurz vor
Einbruch der Dämmerung als wir ein paar Felle in unsere Schneehöhle
schleppten hörten wir lautes Gerassel und sahen schon von weitem
eine schwarze Rauchsäule die immer näher zu kommen schien. Ha, das
kann nur ein Vestichood sein der vom Savoij kommt, dem großen
Rentierschlachten am Ischinsky Berg. Und tatsächlich zog ein
Vestichood mit ca. 15 Leute auf dem Dach einen großen LKW hinter
sich her durch das unwegsame Gelände und den Schnee! Ein
eigenartiges und martialisches Bild, und es ist laut und stinkt!
Unglaublich, so etwas konnte man auch wieder nur in Russland sehen,
einen alten Panzer der sich völlig überladen mit einem großen
Truck im Schlepptau durch die Wildnis Kamtschatkas pflügt! Heute war
aber wieder was los hier am Kardon.
So, richten
wir uns für die Nacht ein, aßen noch etwas im Haus, lasen etwas und
krochen dann mit einem noch leicht mulmigen Gefühl in unsere
geliebte Schneehöhle. Ob die wohl hält, was ist denn wenn die über
uns zusammen bricht? Nach ein paar Minuten hatten wir uns
akklimatisiert und Plappermann in unseren Köpfen war der Mund
zugeklebt worden mit einem schönen breiten Streifen Panzertape!
Jedenfalls war das in meiner Vorstellung so. :-)
Nachdem nun
niemand mehr in meinem Kopf behauptete unser Bauwerk würde des
Nachts über unseren Köpfen zusammenbrechen, schliefen wir selig bis
nächsten Morgen. Das Thermometer in der Schneehöhle zeigte ca. 0C°
bis -1C° an während es am Morgen draußen – 17C° hatte und durch
unseren warmen Hauch der an den Wänden kondensierte war im Inneren
unserer Schneehöhle noch eine schöne stabile Eisschicht gewachsen.
Na das war doch was...
P.S. Wie
wir später erfuhren transportierte das Vestichood was wir sahen
exakt 30 Männer, denn ein Zweites war unterwegs liegengeblieben,
somit mussten alle auf dieses eine Gefährt umsteigen, welches wir
gesehen hatten. Der LKW blieb dann auf dem Steilstück des Hausberges
am Dimschikanski zurück, da das Gefährt hoffnungslos überladen war
und vor dem Berg zu kapitulieren drohte, Unglaublich!
Als ich am
06. Dezember wieder in Esso ankam und mein Handy wieder Empfang
hatte, erreichte mich die traurige Nachricht von meiner Mutter das
sich meine Katze Morgana am 03. Dezember in ein neues Leben
aufgemacht hatte...